Walchensee:"Flake" wird aufgemöbelt

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Verantworltich für die Gestaltung in Flake sind (v.li.) Toni Ostler, Daniel Weickel und Susanna Bentele. Foto: Harry Wolfsbauer (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Wikinger-Filmkulisse von Michael "Bully" Herbig ist morsch. Junge Bildhauerinnen und Bildhauer bauen sie nun zum dauerhaften Kunstwerk um.

Von Jakob Teterycz, Kochel am See

Fast majestätisch erstreckt sich der Walchensee mit seinem türkisen Wasser an diesem Herbsttag. Eine frische Brise weht aus den blau schimmernden Bergen herab. Ein Ort, um die Stille der Natur zu genießen. Komplette Stille? Nein. Aus einem kleinen Dorf ertönt ein schrilles, mechanisches Quietschen. Seit Montag finden im Filmkulissendorf "Flake" bildhauerische Renovierungsarbeiten statt. Fünf Holzhütten bilden die Siedlung, die aus einer anderen Zeit zu kommen scheint. Ihre Dachgiebel sind mit drachenartigen Fratzen verziert und die Außenwände sind stark verwittert. Auf einer Art Dorfplatz liegt der hölzerne Kopf eines gehörnten Fabelwesens. Die Augen des Geschöpfes starren in den leicht bewölkten Himmel. Im Hintergrund die glitzernde Kulisse des Walchensees.

Doch inmitten dieses Wikingerdorfes tummeln sich keine bärtigen, behelmten Männer, sondern die Bildhauenden des 2. und 3. Lehrjahres der Schulen für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen. Bewaffnet mit Kettensägen, Flex und Hobel sind sie die Ursache der Geräusche. In einem starken Kontrast steht die moderne Arbeitskleidung der Bildhauerinnen und Bildhauer mit den altertümlichen Hütten. Orangene Schutzhelme treffen auf nordische Runen. Sägespäne zieren den Boden und hie und da ertönt ein humorvolles "Jawohl Chef!".

An der Ringstraße 1 in Walchensee kann man seit dem 12. September 2009 die Filmkulissen des Dorfes Flake von Michael "Bully" Herbigs "Wickie und die starken Männer" besichtigen. Da diese Bauten nicht für die Ewigkeit konzipiert waren, sind sie inzwischen baufällig. Teilweise wurden diese bereits aus Sicherheitsgründen abgebaut. Allen voran ein Schiffsgerippe und der ikonische Totempfahl mussten demontiert werden, klagt Daniel Weickel, Teamleiter der Tourismusabteilung Kochel am See. Laut seinen Angaben war er es, der die Restaurierung Flakes in die Wege leitete. Im Mai vergangenen Jahres bat er die Schulen für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen um Unterstützung, unterm Arm einen der morschen Drachenköpfe. "Ein Projekt, das allen Beteiligten nützt" - so Weickel.

Die angehenden Bildhauenden bekommen die Gelegenheit an einem Praxisprojekt außerhalb des Lehrplans zu arbeiten. Das Tourismusbüro stellt die zu verarbeitenden acht Eichenstämme und sorgt für deren Transport. Einer von ihnen wiegt bereits mehr als eine Tonne. Nachdem die Schülerinnen und Schüler einen ganzen Sommer die nordische Mythologie studiert hatten, konnten sie, nach coronabedingten Verzögerungen, nun endlich beginnen. Während die bestehenden Kulissen originalgetreu der deutsch-japanischen Zeichentrickserie "Wicki und die starken Männer" nachempfunden sind, werden sie nun durch authentische Wikingermotive erweitert.

Die Aufsicht für das Projekt haben unter anderem die Lehrkräfte Susanna Bentele und Toni Ostler. Bei dem Projekt war der Kreativität der Auszubildenden keine Grenze gesetzt. Laut Toni Ostler fertigten sie zunächst kleine Modelle an, welche sie nun ins Große übertragen. Von da an beginnt die körperlich anstrengende Arbeit "vom Groben ins Feine", sagt Ostler. Eigens für dieses Projekt seien sogar die Motorsägenkurse im Lehrplan vorverlegt worden. Susanna Bentele erzählt, dass es ihr gelegentlich in den Fingern kribble, wenn sie den Schülerinnen und Schülern bei der Arbeit zuschaue. Sie selbst habe ebenfalls an der Garmischer Schule für Bildhauerei gelernt und unterrichtet an ihrem "Herzensort" nun seit zwei Schuljahren.

Neben all den Bildhauenden streifen auch Besuchende durch das Wikingerdorf und besichtigen die dortigen Umbauten. Mit neugierigen Blicken beobachten sie die schweißtreibenden Arbeiten. Für kleinere Erfrischungspausen steht sogar ein Kasten mit Getränken im Schatten eines provisorischen Pavillons. Aufgrund der Ohrenschützer scheinen die Schülerinnen und Schüler ihre Beobachter nicht zu bemerken. Hoch konzentriert arbeiten sie mit ihren Gerätschaften. Auffällig ist, dass es einen klaren Frauenüberschuss gibt. Sieben der zehn Arbeitenden sind weiblich. Sogar der Totempfahl, welcher im Film "Wicki und die starken Männer" mehrfach auftaucht, wird durch eine weibliche Skulptur ersetzt.

Die Schnitz- und Feilarbeiten der jungen Gestalterinnen und Gestalter sollen noch bis zum Ende der Woche andauern. Vor der Winterpause werden die Kunstwerke sorgfältig eingepackt und zwischengelagert. Laut Daniel Weickel soll das Projekt im Frühjahr 2021 abgeschlossen werden. Durch feste Fundamente, wetterbeständige Materialien und die Signaturen der Schöpferinnen und Schöpfer wird aus den ehemaligen Filmkulissen ein Gesamtkunstwerk - hoffentlich für die Ewigkeit.

© SZ vom 10.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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