Süddeutsche Zeitung

Wahlkampf in Tölz:Schwerer Image-Schaden

Nach der AfD-Veranstaltung im Starnbräu kommen Wirtin und Geschäftsführer in Erklärungsnot.

Von Felicitas Amler, Bad Tölz

Wer den Begriff "Wahlkampf" allzu wörtlich nimmt, mag einen veritablen Waffengang erwarten, mindestens aber Handgreiflichkeiten. In Wirklichkeit beschränkt sich der Kampf der Parteien um Stimmen aber doch meist auf braves Plakatekleben und einen verbalen Schlagabtausch. Wenn gar nur einer spricht, der zufällig irgendeiner Partei, sagen wir: der AfD, angehört - dann handelt es sich sogar lediglich um einen Vortrag. So sieht es die Wirtin des Tölzer Starnbräus, Uschi Schretter. Den mit einem "Pfui!" versehenen Vorwurf auf Facebook, sie führe "ein AfD-Versammlungslokal", verbittet sie sich: "Eine Frechheit!"

Tatsächlich scheint der gut besuchte Auftritt der AfD am Montag im Saal des Gasthauses an der Tölzer Marktstraße für das Starnbräu folgenschwer zu sein. "Das ist einer der größten Schäden, die uns überhaupt passieren konnten", sagt Geschäftsführer Josef Naschberger. Wie die Wirtin betont aber auch er, dass die AfD keine Wahlkampfveranstaltung bei ihm abgehalten habe. Der Saal sei ausdrücklich für einen "Vortrag" reserviert worden. Und zwar per E-Mail von einer Privatperson, die sich nicht als AfD-Funktionär zu erkennen gegeben habe.

Der schwierige Unterschied zwischen Vortrag und Wahlkampf

Allerdings begann die AfD-Veranstaltung am Montagabend im Starnbräu damit, dass der hiesige Bundestagskandidat Constantin von Anhalt um Stimmen warb, und endete damit, dass der Berliner Bundestagskandidat Nicolaus Fest nach einer an Deftigkeit wenig auslassenden Anti-Islam-Rede seiner Partei ein gutes zweistelliges Ergebnis für den Bundestag prophezeite. Hinter den Rednern hingen AfD-Plakate mit Slogans wie "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" und "Die AfD hält, was die CSU verspricht". Kein Wahlkampf?

Der Starnbräu-Geschäftsführer distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten dieses Abends. Er fühle sich in keiner Weise zur AfD hingezogen: "Ich habe muslimische Mitarbeiter", sagt er. Und auch Wirtin Schretter erklärt, das Starnbräu sei ein offenes Haus: "Wir sind multikulti. Ich habe alle Nationalitäten in meiner Mannschaft, Kroaten, Syrer . . . Ich selbst bin Österreicherin."

Ausgerechnet die Wirtin wurde allerdings am Montagabend als aufgeschlossen für die AfD gelobt. Der Berliner Nicolaus Fest dankte ihr öffentlich, da sie seiner Partei eine Versammlung ermöglicht habe, während es in der Bundeshauptstadt kaum noch Lokale gebe, die der AfD Zutritt gewährten. Nun sagen sowohl Schretter als auch Naschberger, sobald ihnen klar geworden sei, dass es bei der fraglichen Saalreservierung um die AfD ging, hätten sie sich bei der Polizei erkundigt, ob sie die Sache rückgängig machen könnten. Die Auskunft habe geheißen, so der Geschäftsführer: "Wir können nur zurücktreten, wenn es sich um höhere Gewalt handelt. Die Veranstaltung muss ausgerichtet werden."

Umso mehr betont Schretter, es habe sich ja nur um einen Vortrag gehandelt. Den Hinweis, eine Veranstaltung der AfD wenige Wochen vor der Bundestagswahl sei wohl unschwer als Wahlkampf zu erkennen, beantwortet sie so: "Auf allen Plakaten stand Vortrag." Und sie habe die Veranstalter auch dringend ermahnt, dies einzuhalten: "Ich will heraußen nichts sehen", habe sie gesagt. Im Saal sei sie selbst dann nur kurz am Anfang gewesen. Und es sei doch alles ganz ruhig verlaufen.

Eine neuerliche AfD-Versammlung aber soll es im Starnbräu nicht geben, erklärt Naschberger. Die Partei kündigt eine solche zwar auf ihrer Internetseite bereits für den 13. September an ("Vortrag von Petr Bystron, Dr. Anne Cyron: Gender - die große Zerstörungsideologie"). Doch dazu werde es nicht kommen, sagt der Geschäftsführer: "Keine Reservierung."

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Quelle:
SZ vom 01.09.2017
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