Wadlhauser Gräben:Blick aus dem Windrad

Gesichert wie ein Bergsteiger geht es für den SZ-Fotografen in Berg mit Aufzug und über Leitern 150 Meter in die Höhe. Ein Erlebnisbericht

Text und Fotos von Franz Fuchs

Freitagmittag, Anruf vom Chef: "Ich wollte mich nur von dir verabschieden ... falls wir uns nicht mehr sehen sollten." Öha, was will er mir mit leicht spöttischem Unterton denn sagen? Plane ich etwa ein Kommandounternehmen am Hindukusch oder doch nur die Besteigung eines der vier Berger Windräder, die weithin sichtbar am Ostufer des Starnberger Sees in den Himmel ragen. Zwar haben zwei fotografierende Kolleginnen im Internet allerlei Erschreckendes über den Aufstieg ausgemacht, etwa die Kletterei auf einer zehn Meter hohen Hühnerleiter mit anschließendem Ausstieg auf einer Plattform ohne Geländer - aber das lässt mich nur zeitweise schlucken. Also mache ich mich wagemutig auf zum vereinbarten Treffpunkt in Mörlbach. Mit dem Starnberger Verkehr als Haupthindernis auf meinem Weg nach oben habe ich allerdings nicht gerechnet. Eine Blechschlange quält sich in Richtung Berg.

Der vereinbarte Zeitpunkt für das Treffen rückt unerbittlich näher, ich schwitze Blut und Wasser. Viertel vor Zwei, ich sollte jetzt in Mörlbach sein, stehe aber an einer Straßenbaustelle vor dem Landschulheim Kempfenhausen. In Mörlbach bin ich dann schnell, aber dennoch zu spät, um die wegekundigen Führer zum Windrad zu treffen. Auf verbotenen Wegen jage ich zu den Wadlhauser Gräben mit den Windanlagen. Unterwegs treffe ich freundliche Leute, darunter zwei Reiterinnen hoch zu Ross, die weder mich noch mein Auto beschimpfen, sondern mir geduldig den Weg durch den Wald weisen. Endlich habe ich es geschafft. Mit reichlich Verspätung treffe ich an der "Energieanlage 3" auf eine kleine Gruppe, die wie ich ausnahmsweise einmal auf so einen Riesenturm hoch darf.

Allen voran Bergs Bürgermeister Rupert Monn, der betont, schon einmal oben gewesen zu sein und deshalb den anderen den Vortritt lassen wolle. Beim Anblick der winzigen Aufzugkabine, die lediglich an Seilen hängend im Inneren des Turms nach oben fährt, kommen dem einen oder anderen schon Bedenken. Monn verkündet mit treuherzigem Augenaufschlag, er und Robert Sing, Geschäftsführer der Betreiberfirma Bürgerwind Berg, hätten schon einmal wegen des streikenden Aufzugs von der Ausstiegsplattform in 137 Metern Höhe abgeseilt werden müssen. Sing und sein technischer Betriebsleiter Thomas Geirhos beschreiben nun geduldig die Funktion des kompliziert aussehenden Sicherungsgeschirrs, das alle anlegen müssen. Insbesondere zwei stabile Metallhaken und der sogenannte "Läufer" stechen ins Auge.

Letzterer muss in die Mittelschiene der "Hühnerleiter" eingehängt werden und immer unter Zug stehen, sonst blockiert er. Die erste Gruppe startet, bald darauf die zweite, danach passiert lange nichts mehr. Monn hat Getränke und Wurstsemmeln für alle mitgebracht. Er weiß, dass es dauert, bis alle an die Reihe kommen, braucht alleine der Lift schon acht Minuten für eine Fahrt. Dennoch macht sich Unruhe breit, als eine gefühlte Ewigkeit nichts vom Turm zu hören ist. "Wo bleiben sie, wollen die oben übernachten oder sind alle schon in Ohnmacht gefallen", lauten die Kommentare. Endlich kommt Sing mit den ersten Besucherinnen zurück. Er ist ganz begeistert von der "tollen Aussicht bis ins Gebirge", wie er sie nur selten genossen habe. Jetzt darf ich mich mit ihm und Gemeinderat Werner Streitberger in die Kabine quetschen.

Vorstellung der Berger Windräder

Franz Fuchs hat Blut und Wasser geschwitzt.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Mir wird klar, weshalb im Einladungstext Menschen gewarnt werden, die an Platz- oder Höhenangst leiden. Wie drei Ölsardinen in der Büchse zuckeln wir nach oben, vorbei an spärlich beleuchteten grauen Betonwänden, die in etwa 100 Metern Höhe von immer schmaler zulaufenden Metallringen abgelöst werden. Maximal vier Meter Durchmesser dürfen die haben, erfahren wir vom Experten, größere können auf deutschen Autobahnen nicht transportiert werden. Oben angekommen, geht es über die Leiter und eine schmale Luke in die eiförmige Gondel. Zwölf horizontal angeordnete Azimutmotoren haben hier die Aufgabe, das Maschinenhaus immer genau in den Wind zu stellen. Noch zwei Aufstiege durch enge Öffnungen und wir sind oben.

Zum Glück haben meine beiden klobigen Kameras und die Objektive überlebt, denn der Ausblick aus mehr als 150 Metern Höhe ist wahrhaft atemberaubend. Nur von Starnberg und dem See sehe ich nicht viel. Erstens steht die Sonne schon recht tief und zweitens sind zwei der riesigen Blätter des Rotors, der einen Durchmesser von 116 Metern hat, im Weg. Trotzdem verlasse ich ungern den aussichtsreichen Platz. Unten angekommen erfahre ich, dass die vier Windräder heuer schon 18,8 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt haben und damit weit mehr als erwartet.

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