Süddeutsche Zeitung

Wachstumsgegner:Vorsorglicher Protest

Eine Gruppe Deininger geht gegen eine Bebauung in ihrem Dorf vor, die noch gar nicht beantragt ist. Sie fürchten Spekulanten - und starken Zuzug.

Von Claudia Koestler

Seit Jahren schon streben immer mehr Menschen in die Münchner Metropolregion. Und seit Jahren haben lokale Behörden auch immer wieder mit Verteidigungsgefechten zu tun, die ihnen Nachbarn von geplanten Bauprojekten liefern. Nun hat der Kampf um Raum und Zukunft den Eglinger Ortsteil Deining erreicht. In dem etwa 820 Einwohner großen Dorf kurz vor der Grenze zum Landkreis München sträubt sich die Bürgerinitiative (BI) "Rettet Deining vor Spekulanten" gegen ein mögliches Großbauprojekt am westlichen Ortsrand - mit einer Unterschriftenaktion, Pressegesprächen und einer eigenen Informationsveranstaltung.

Zwar liegt noch gar kein entsprechender Bauantrag für das 28 000 Quadratmeter große Grundstück an der Hochstraße vor. Die Gründe, die Norbert Fuchs und Hugo Spitz von der BI für ihren Protest anführen, sind deshalb so präventiv wie vielfältig: Sie wehren sich zum einen, weil für eine wirtschaftliche Maximalbebauung des Areals mit etwa 25 Häusern rund zwei Drittel des Grundstücks von Außenbereich in Bauland umgewandelt werden müssten. Das aber könnte nach Ansicht von Norbert Fuchs und Hugo Spitz Begehrlichkeiten bei Spekulanten wecken, ähnlich vorzugehen, so dass in der Folge immer mehr Außenbereichsflächen zu Bauland würden.

Die Infrastruktur wäre beistarkem Wachstum überfordert,fürchten die Gegner

Landwirten ist ihrer Ansicht nach nicht zu vermitteln, "warum externe Investoren frisch erworbene landwirtschaftliche Grundstücke als Bauland genehmigt bekommen, während ihnen die Umwandlung verweigert wird." Zum anderen würde die Bebauung des Grundstücks in solch massiver Form zu einem "explosionsartigen Anstieg der Bevölkerung" in Deining führen. So könnte die Bevölkerung bis zum Jahr 2035 auf 1100 Menschen anwachsen, haben die Mitglieder der BI errechnet. "Damit wären Kita, Feuerwehr, Kanalisation, Straßen und ähnliches völlig überfordert." Nachdem im Ort der Gasthof und die Bankfiliale geschlossen haben und als einzige Nahversorgungseinrichtung eine Bäckerei übrig ist, würden "ein gewachsenes bayerisches Dorf zu einer Schlafstadt von München werden", warnen sie.

Obendrein käme es ihrer Ansicht nach durch die massive Bebauung zu einer "unvertretbaren Zerstörung der Natur". Der im Außenbereich liegende Teil des Grundstücks grenze nämlich unmittelbar an das Landschaftsschutzgebiet Schönberg an. Für die maximale Bebauung könnte ihnen zufolge zudem ein etwa 3500 Quadratmeter großer Teich zugeschüttet werden. Und durch die Versiegelung werde das Dorf mit seiner Hanglage Probleme bei Starkregen bekommen. Ihr Ziel ist deshalb, dass lediglich die im Ortsbereich liegenden Flurstücke des Grundstücks nach Maßgabe der Ortsgestaltungssatzung bebaut werden.

Bürgermeister Hubert Oberhauser (FW) sieht die Befürchtungen der BI als unbegründet an. Es würden Ängste geschürt, "obwohl noch überhaupt nichts entschieden ist", sagt der Rathauschef. Bislang seien nur Gespräche mit dem Grundstückseigner gelaufen, und er habe die Bürger unmittelbar darauf über den Sachstand informiert. Sein Stellvertreter Josef Bail (VB) bestätigt, dass von dem Grundstück zwischen 8000 und 9000 Quadratmeter im derzeit gültigen Flächennutzungsplan als Innenbereich ausgewiesen und damit bebaubar sind - was die BI als unproblematisch erachten würde. Allerdings müssten laut Bail dabei Flächen der Erschließung und topografischer Widrigkeiten abgezogen werden. "Die Rechnung 1000 Quadratmeter pro Haus ergo neun Häuser geht also nicht auf, es wären weniger." Sollte der Grundeigentümer tatsächlich die weitere Fläche im Außenbereich bebauen wollen, müsste er einen Antrag auf Änderung des Flächennutzungsplanes stellen. Ob der auch tatsächlich geändert wird, sei eine Entscheidung des Gemeinderates. "Und wenn der nein sagt, heißt es nein", erklärt Bail. Eine Flächennutzungsplanänderung schaffe nie Präzedenz, sondern bedürfe bei jedem neuen Fall einer eigenen neuen Entscheidung des Gremiums. "Es zählt immer, ob es ortsplanerisch sinnvoll ist", sagt Oberhauser. Ob der Teich ein Biotop ist, werde derzeit geprüft. Eine Vorprüfung habe ergeben, dass es dort zumindest in Teilen schützenswerte Fauna gebe. "Vom Zuschütten sind wir also meilenweit entfernt", sagt Oberhauser. Was die Infrastruktur anbelange, sei für Deining wie für die ganze Gemeinde weiterhin "eine maßvolle, verträgliche Bebauung und Verdichtung" anzustreben, betont er. Zur Informationsveranstaltung der Bürgerinitiative am Donnerstag, 21. September, ist Oberhauser eingeladen. Er will kommen und gerne Fragen beantworten.

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SZ vom 01.09.2017
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