Süddeutsche Zeitung

Von Konstantin Wecker gefördert:"Girl Power" in Gelting

Drei Nachwuchs-Liedermacherinnen präsentieren sich im "Hinterhalt"

Von Arnold Zimprich, Geretsried

Assunta Tammelleo begrüßt drei Frauen auf der Bühne ihres "Hinterhalts" und erklärt: "Hergeschickt hat sie ein Künstler, den ich das erste Mal gesehen habe, als ich 17 war - das war vor 42 Jahren." Miriam Green, Sarah Straub und Tamara Banez treten Mittwochabend in der Geltinger Kleinkunstbühne auf - drei junge Künstlerinnen, die von Konstantin Wecker und seinem Plattenlabel Sturm&Klang gefördert werden. Der Liedermacher selbst ist krank und fehlt.

Straub setzt sich ans weiße Piano. Sie hat ein Album mit 13 Interpretationen von Wecker-Songs aufgenommen, den Beginn macht "Was keiner wagt". Die 34-Jährige hat eine starke Bühnenpräsenz, man merkt, dass sie zur Präsentation ihres Albums "Red" mehr als 150 Konzerte gespielt hat. Mit ihrer klaren, hellen Stimme fasziniert sie das Publikum und trägt die Wecker-Texte mit Verve vor. "Werde schnell wieder gesund", grüßt sie den abwesenden Meister, ehe sie "Ich singe, weil ich ein Lied hab" anstimmt. Sie legt viel Energie in den Text, fast, als hätte sie ihn selbst geschrieben, ebenso bei "Das ganze schrecklich schöne Leben", das sie zum Abschluss interpretiert. Zu dritt bringen Straub, Green und Banez eine Version von Weckers "Sage Nein!" auf die Bühne. Beeindruckend, was die drei aus diesem Wecker-Klassiker herausholen, welche Dringlichkeit sie ihm verleihen.

Als Zweite Solistin betritt die schüchtern wirkende Miriam Green barfuß die Bühne. Sie hat Oboe studiert, sich jedoch gegen eine Orchesterkarriere entschieden und ist zum Auftritt im "Hinterhalt" mit einem Englischhorn gekommen. "Ich hab ein sehr trauriges Lied mitgebracht", eröffnet Green, "eigentlich sind es mehrere traurige Lieder. Es geht um Freundschaft. Menschen sind wie Katzen, sie kommen und gehen." Im Lied "Kokon" singt Green von der Unmöglichkeit, jemanden zu halten, von der Aussichtslosigkeit, zwei Welten zu vereinen: "Du hast mich nie in meiner Welt gesehen". In "Der Astronaut" philosophiert sie über eine grenzenlose Welt.

"Ich muss etwas erfinden, damit ich Oboe und Klavier gleichzeitig spielen kann", wünscht sie sich, ehe sie sich im Lied "Etiketten" gegen das Schubladendenken wendet. "Ob Schwabe oder Inder, es gibt kein Wort, das dich beschreiben kann." Miriam Greens Klavierspiel wird an diesem Abend in seiner Virtuosität nicht überboten. Zu schnell sind die letzten Klänge verhallt, man hätte sich mehr gewünscht - doch Tamara Banez setzt einen Schlusspunkt, der in Erinnerung bleibt.

Denn ihre Stimmenergie ist enorm. "Ich will Ohnmacht und Ignoranz zur Sprache bringen", kündigt sie ihr Lied "Kriegstreiber" an. Sie tritt am stärksten politisch auf. "Zu welchem Preis läuft das System stabil?" fragt sie. Das Mittelmeer, in dem Tausende Flüchtlinge ertrunken sind, ist für sie ein Massengrab. In "Mayday", das Banez für die Fridays-for-Future-Bewegung geschrieben hat, hält der Mensch mit der Erde Zwiesprache. "Es wird viel zu heiß hier, wie kommen wir da raus?"

"Die Welt muss weiblich werden, sonst geht sie vor die Hunde", wünschen sich Straub, Green und Banez in ihrem Lied "Sisters" abschließend - vielleicht würde dann auch die Kommunikation mit Mutter Erde besser klappen. Man wünscht es sich jedenfalls nach diesem klanggefüllten Abend, dessen letztes, eigens für den Auftritt im "Hinterhalt" geschriebenes Lied "Girl Power" ebenfalls eine klare Botschaft hat: "Wer du bist, schreibt dir niemand vor."

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SZ vom 21.08.2020
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