Von Icking bis Penzberg:Testpflicht mit zu wenigen Teststationen

Coronavirus

„In ganz Penzberg gibt es keine Apotheke, die das anbietet“, sagt Andrea Fessmann.

(Foto: Hartmut Pöstges)

2-G-plus stellt die Kultur- und Freizeitbranche vor große Herausforderungen. Wer sich auf eine Infektion prüfen lassen will, findet in der Region kaum Anbieter

Von Benjamin Engel

Frustriert bis wütend, aber auch ungewöhnlich kreativ macht die schärfere 2-G-plus-Regel die Freizeit- und Kulturbranche der Region. Denn wer geimpft oder genesen ist, braucht dafür noch einen zusätzlichen Schnelltests - doch Anbieter gibt es dafür zwischen Wolfratshausen und Penzberg kaum noch. Im Einzelhandel sind Antigen-Schnelltests für den Privatgebrauch praktisch kaum zu bekommen. "Ich bin stinksauer auf die Politik", sagt der Vorstandsvorsitzende der Kristall Bäder AG, Gerd Bittermann. Sein Unternehmen mit vielen deutschlandweiten Standorten betreibt auch die Therme in Kochel am See. In der Region im Umkreis gebe es kaum Anbieter für Schnell- oder PCR-Tests. Die Lage sei hoch kompliziert, sagt Bittermann.

Darum hat die Kochler Kristall Therme sich selbst geholfen - und Antigen-Schnelltests eingekauft, die Gäste vor dem Besuch im Haus unter Aufsicht direkt machen können. Für das Team ist das laut Bittermann eine hohe Zusatzbelastung. Die Mitarbeiter müssen kontrollieren, ob jeder Gast geimpft oder genesen ist - das ist derzeit die Grundvoraussetzung für einen Besuch einer Kultur- und Freizeiteinrichtung - und zudem den Test beaufsichtigen sowie sich einen Ausweis vorlegen lassen. Die Stammgäste kämen zwar nach wie vor und am vergangenen Wochenende sei die Therme unter der Vorgabe von gleichzeitig höchstens 25-prozentiger Auslastung voll gewesen, sagt Bittermann. "Aber wirtschaftlich ist etwas anderes."

"Die Bevölkerung ist verunsichert"

Erst am vergangenen Samstag ist die Kochler Kristall Therme allerdings an genügend Tests gekommen. Es sei nicht einfach gewesen, welche zu beschaffen, sagt Bittermann. Wer sich im Haus testen lassen will, muss dafür vier Euro zahlen. Etwa die Hälfte der Gäste nutze das Angebot bislang. Von der Politik würde sich Bittermann wünschen, dass sie Regeln viel klarer formuliert und sofort umsetzt statt immer erst abzuwarten. Er selbst spricht sich auch für eine Impflicht aus. Das hätte die Politik schon im Sommer angehen können, findet Bittermann. Wer in Urlaub fahre, lasse sich auch gegen Gelbfieber oder Tropenkrankheiten impfen. Jetzt hinke die Politik mit ständig neuen Regelungen hinterher. "Die Bevölkerung ist völlig verunsichert."

Von einer "Schildbürgergeschichte" spricht Andrea Fessmann, weil es so wenig Testmöglichkeiten gibt. Die beiden von ihr organisierten Meisterreihe-Konzerte in Iffeldorf (Landkreis Weilheim-Schongau) fanden zwar statt. Doch schon Tage vorher hätten Besucher angerufen, dass es keine Möglichkeiten gebe, sich vorher unter Aufsicht testen zu lassen. "In ganz Penzberg gibt es keine Apotheke, die das anbietet", sagt Fessmann. Auf ihre Anfrage habe dann die Penzberger Zahnarztpraxis ihre Corona-Schnelltest-Stelle am Samstagnachmittag extra für Konzertbesucher geöffnet. "Ohne die Zahnarztpraxis wäre es nicht gegangen", sagt Fessmann.

Ob die für Mitte Dezember geplanten nächsten Iffeldorfer Meisterkonzerte stattfinden werden, ist angesichts der angespannten Infektionslage offen. Laut Fessmann wird es auf jeden Fall welche geben, sollte es erlaubt sein. "Wir müssen die Kultur aufrechterhalten und dürfen nicht aufgeben", sagt sie trotz finanziell kaum tragbarer Situation. Dafür steht in Aussicht, dass die Freiwillige Feuerwehr in Iffeldorf die Schnelltests für Konzertbesucher übernimmt. Die Devise, alle zusätzlich zu testen, ist aus Fessmanns Sicht sinnvoll. Die große Anspannung unter den Konzertbesuchern sei am Samstag aber deutlich zu spüren gewesen.

"Unsere Besucher sind verzweifelt"

Selbst Apotheken soll es schwer fallen, Lieferanten für Schnelltests zu finden. Womöglich bieten auch daher nur wenige welche an. In Wolfratshausen öffnet dafür laut Landratsamt-Homepage als einzige die Helios-Apotheke in der Bahnhofstraße. Entsprechend lang ist die Schlange an Wartenden, wie es etwa am vergangenen Sonntag zu beobachten war. Näher äußern möchte sich der Inhaber aber nicht. Derzeit sind mit dem Rathaushof und der Gesundheitspraxispraxis Lauber in Wolfratshauser nur zwei weitere Anlaufstellen für Tests online aufgeführt. Kinobetreiberin Cornelia John ist darum dankbar für alle ihre Gäste, die lange Wartezeiten auf sich nehmen. Aus ihrer Sicht hätte aber auch eine 2-G-Regel wie in der Gastronomie ausgereicht. "Unsere Besucher sind zunehmend verzweifelt, und so viele kommen gar nicht", sagt sie.

Für den Privatgebrauch würde der Eurasburger Rewe-Supermarkt-Betreiber Niklas Restle gerne Schnelltests anbieten. Nur kann er derzeit keine mehr auftreiben, die jüngste Lieferung kam vor zwei Wochen. "Alles ist leer geräumt", sagt er.

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