Vom Ölbild bis zum Ohrenstöpsel:Alles in Ordnung?

Natürlich nicht. Aber die Künstlerin Petra Jakob und 21 Kollegen haben sich für die Ateliertage Berg/Icking lustvoll mit dieser Frage auseinandergesetzt

Interview von Stephanie Schwaderer

Zum 31. Mal finden an den kommenden beiden Wochenenden die Ateliertage Berg/Icking statt. Und zum 31. Mal ist Petra Jakob mit von der Partie. Mit 16 Künstlerfreunden und fünf Gästen stellt sie sich diesmal dem Motto: "Alles in Ordnung".

SZ: Wie sieht es denn gerade in Ihrem Atelier aus?

Petra Jakob: Wild! Aber das ist kein Dauerzustand.

Sind Sie ein ordentlicher Mensch?

Jein. In manchen Dingen bin ich sehr ordentlich: Arbeit, Familie, Gesundheit - alles, was man zum Weiterleben braucht. Aber Ordnung in einem Haus zu halten, in dem eine Großfamilie ein- und ausgeht, ist nicht einfach. Wie bei "Schöner wohnen" sieht es bei uns selten aus.

Verträgt sich Ordnung mit Kreativität?

Für mich als Künstlerin ist es wichtig, zwischen verschiedenen Arbeitsgängen Ordnung zu schaffen. Ein leerer Tisch lässt neue Gedanken zu. Wenn ich hingegen an einem Bühnenbild oder einem größeren Projekt arbeite, entsteht Unordnung. Das ist wie beim Kochen: ein Prozess, bei dem man nicht ständig den Urzustand herstellen kann, erst aus dem Chaos entwickelt sich Neues.

Wer hatte die Idee zum diesjährigen Ausstellungsmotto?

Vom Ölbild bis zum Ohrenstöpsel: Schwer in Ordnung (von oben nach unten und links nach rechts): Andreas Huber mit Hund; Birgit Berends-Wöhrl, Gabriel Baumüller und Sophia Hößle, Juschi Bannaski; Margaritta Wiederholt, Dazze Kammerl, Ernst Grünwald; Lucie Plaschka, Petra Jakob, Sebastian Heinsdorff, Gerd Jäger (im Kopfstand) und Roman Woerndl, Sabine Beck, Gerdi Herz; Teresa Erhart, Christiane Leimklef und Hans Panschar. F

Schwer in Ordnung (von oben nach unten und links nach rechts): Andreas Huber mit Hund; Birgit Berends-Wöhrl, Gabriel Baumüller und Sophia Hößle, Juschi Bannaski; Margaritta Wiederholt, Dazze Kammerl, Ernst Grünwald; Lucie Plaschka, Petra Jakob, Sebastian Heinsdorff, Gerd Jäger (im Kopfstand) und Roman Woerndl, Sabine Beck, Gerdi Herz; Teresa Erhart, Christiane Leimklef und Hans Panschar. F

(Foto: Andreas Huber)

Das war eine lustige Geschichte: Wir saßen zusammen in der "Post" in Aufkirchen, um uns ein Thema zu geben - alle Jahre wieder ein komplizierter und lustvoller Vorgang! Irgendwann lagen etwa zehn Vorschläge auf dem Tisch, aber wir konnten uns nicht einigen. Als wir das Ganze gerade demokratisch angehen und Listen schreiben wollten, schaut eine nette Bedienung zur Tür herein, sieht unsere rauchenden Köpfe und fragt: Alles in Ordnung? Wir haben uns angesehen und gewusst: Das ist es.

Weil es ein so vielschichtiger Titel ist?

Ja, er lässt viel zu und gibt Denkanstöße - in einer Welt, wo wenig in Ordnung ist.

Ordnung kostet Kraft. Wie schafft man es, 22 Individualisten unter einen Hut zu bringen?

Mit Geduld, Liebe und Freundschaft. Wir alle haben immer Spaß bei unseren gemeinsamen Aktionen, über die Jahrzehnte sind wir fast familiär zusammengewachsen. Wichtig war, dass wir nie einen Verein gegründet haben. Starre Strukturen wären unser Ende. Bei uns ist es so: Wer Zeit und Lust hat, bringt sich ein.

Ateliertage Icking/Berg 2013

1956, als Petra Jakob ein kleines Mädchen war, kaufte ihr Vater ein Holzhäuschen in Icking. Dieser Ort wurde zum Lebensmittelpunkt der Künstlerin.

(Foto: Andreas Huber/oh)

Schon in der Einladungskarte steckt offensichtlich viel Energie. Wer hat Sie alle so hübsch ins Regal geräumt?

Das war Andreas Huber, ein genialer Fotograf. Er sitzt auf dem Bild ganz oben mit dem Hund. Andreas hat uns in sein wunderbares Studio nach Aufhausen eingeladen, jeden einzeln in Szene gesetzt und uns dann mit Photoshop zusammenmontiert.

Sie stehen in der zweiten Etage . . .

. . . ja, wie in einem Paternoster.

Und die Herren neben Ihnen machen Unsinn.

Das sind unsere drei Verrückten: Sebastian Heinsdorff, Gerd Jäger und Roman Woerndl - das mit dem Kopfstand wird wohl nichts mehr. Sabine Beck, rechts daneben, stellt dieses Jahr nicht aus, aber sie gehört einfach dazu und sollte auch mit aufs Bild. Die einzige, die es diesmal nicht zum Fototermin geschafft hat, weil sie im Ausland war, ist Hannelore Jüterbock.

Aber sie hat für die Ausstellung ihr Atelier aufgeräumt.

Vom Ölbild bis zum Ohrenstöpsel: "Meditation der Steine" hat Margaritta Wiederholt diese japanische Impression genannt

"Meditation der Steine" hat Margaritta Wiederholt diese japanische Impression genannt

(Foto: Privat)

Ja, dazu hat sie für die Einladung einen Text verfasst. Sie schreibt darin, dass sie in ihrem Atelier Ordnung schaffen werde, fragt sich aber, nach welchen Kriterien: "Nach der Entstehungszeit, der Größe, den Motiven, den Farben, der Schönheit, dem Preis?" Ihre Antwort lautet: "Nach Entstehungszeit und Größe, dann ordnen sich Motive und Farben von selbst!" Es ist wirklich unglaublich, was sie in den vergangenen 50 Jahren geschaffen hat - eine Vielfalt, von der man kaum glauben kann, dass sie von einem Menschen stammt.

Vielfalt ist ein gutes Stichwort: Die Besucher erwartet ein Spektrum vom Ölbild bis zum Ohrenstöpsel. Welche Arbeiten haben Sie am meisten überrascht?

Ich finde es immer wieder unglaublich, was sich jeder von uns einfallen lässt. Bisher habe ich viele Arbeiten noch gar nicht gesehen. Zwischen den beiden Wochenenden machen wir einen internen Rundgang, das ist immer spannend.

Sie stellen "Photomorphosen" aus, Fotografien, auf Pergamentpapier gedruckt, die Sie malerisch verfremden.

Vom Ölbild bis zum Ohrenstöpsel: Petra Jakob hat für ihre "Photomorphosen" neben Landschaften und Architekturen verfallende Häuser gewählt.

Petra Jakob hat für ihre "Photomorphosen" neben Landschaften und Architekturen verfallende Häuser gewählt.

(Foto: Andreas Huber)

Ja, sie passen per se zum Thema. Weil ich Motive, die mich begeistern, in Einzelbilder verschiedener Formate zerlege, die ich wiederum unterschiedlich bearbeite. Ich variiere mit Belichtung und Farbwerten, gehe vereinzelt mit Wasser darüber, um Unschärfen zu erzielen. All das lenkt den Blick zunächst einmal vom Gesamtmotiv ab, schafft Irritationen. Zum Schluss jedoch und mit etwas Abstand wächst alles wieder zu einem Ganzen zusammen.

Die Ateliertage sind mit einem großen Aufwand verbunden. Warum machen Sie das?

Das ist eine Sucht. Ein Virus, das einen nicht mehr loslässt. Wir alle stellen das Jahr über auch an anderen Orten aus. Aber die Situation, dass jeder in seiner Werkstatt sitzt und die Leute kommen und reden - das ist etwas ganz anderes. Als Künstler erfährt man etwas über die Interessenten. Und die wiederum bekommen einen außergewöhnlichen Schaffensüberblick. Viele Ateliers laden ja zu Zeitreisen ein, zu den neuen Arbeiten gibt es gleich auch noch die Retrospektive.

22 Künstler in 14 Ateliers zwischen Hohenschäftlarn und Ammerland: Das stellt auch die Besucher vor eine Herausforderung. Haben Sie einen Tipp, wie man da Struktur reinbringen könnte?

Da gibt es keine Gebrauchsanweisung. Unsere Aktion soll Spaß machen und Interesse wecken. Und wer beim ersten Mal vielleicht nur zufällig durch ein Atelier hindurchschießt, kommt das nächste Mal auf ein Glas Wein vorbei.

Ateliertage Berg/Icking, 16./17. und 23./24.September, Samstag 14 bis 19 Uhr, Sonntag 11 bis 19 Uhr, ausführliche Infos unter www.atelier-tage.de

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