Süddeutsche Zeitung

Vogelgrippe:Zur Lage der Legehennen

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Michael Häsch ist nicht nur zweiter Bürgermeister von Dietramszell und der größte Hühnerhalter im Kreis: Als Vize des Branchenverbands erklärt er die tödliche Gefahr - für Tiere und Betriebe.

Von Ingrid Hügenell, Dietramszell

Seit bald 60 Jahren verkauft die Familie Häsch Eier auf ihrem Hof in Dietramszell-Schönegg. Was klein anfing, ist inzwischen die Haupteinnahmequelle: Die 16 000 Hennen legen täglich bis zu 13 000 Eier. Der Verkauf erfolgt über die Erzeugergemeinschaft "Unser Land" oder direkt an Lebensmittelgeschäfte, Bäckereien, Gaststätten und Hotels sowie im Hofladen "Zum Bertenbauer". Nun ist der größte Geflügelhalter im Landkreis zum zweiten Mal in zehn Jahren mit dem Thema Vogelgrippe konfrontiert - einer Krankheit, der nicht nur tausende Hühner zum Opfer fallen können, sondern auch die Betriebe selbst.

Michael Häsch, der den Bertenbauernhof führt, ist Ortsvorsitzender der Dietramszeller CSU, zweiter Bürgermeister, Gemeinde- und Kreisrat, und dazu beim Landesverband der Bayerischen Geflügelwirtschaft als stellvertretender Vorsitzender für den Fachbereich Legehennen zuständig. Deshalb hat der 56-Jährige derzeit noch mehr zu tun als sonst: Auf allen Kanälen erklärt er die Lage der Geflügelhalter.

Die Stallpflicht, die seit Freitag bayernweit gilt, damit die Vogelgrippe nicht auf die Wirtschaftsbetriebe übergreift, begrüßt Häsch ausdrücklich. Denn ein Ausbruch der Vogelgrippe könne einen Geflügelhalter die Existenz kosten, sagt er. "Und dass 50 000 oder 100 000 Tiere getötet werden müssen, das will auch keiner."

Als 2006 wegen der Vogelgrippe tausende Hühner gekeult wurden, breitete sich Angst in der Bevölkerung aus. Häsch erinnert sich gut daran. Es habe viel Panik geherrscht, sagt er. Diesmal sei es glücklicherweise anders. Seiner Ansicht nach liegt das auch daran, dass das Virus nach bisherigen Erkenntnissen nicht auf den Menschen übertragen werden kann. "Ich treffe keinen, der Angst hat. Man geht vernünftig mit der Sache um." Eine Sorge plagt Häsch aber gerade deswegen: Dass die Hobby-Geflügelhalter die Stallpflicht nicht ernst genug nehmen und so die Vogelgrippe einschleppen könnten. "Das würde dazu beitragen, dass die großen Halter gefährdet sind." Für die Kleinen wäre es kein Problem, zehn oder zwanzig Hühner zu verlieren. Für einen großen Betrieb aber könne es das Aus bedeuten, wenn er alle seine Tiere töten müsste.

Zwar werde der Wert der Hühner von der Tierseuchenkasse ersetzt, erklärt Häsch. Doch bis wieder Eier produziert werden könnten, dauere es ein Vierteljahr. Zuvor muss der Stall sorgfältig desinfiziert werden, dann ziehen einige Legehennen probehalber ein und erst wenn diese gesund bleiben, kann der Landwirt seine Ställe wieder mit Junghennen füllen, die dann aber noch ein paar Wochen brauchen, bis sie Eier legen.

Seine Legehennen hält Häsch in sechs Stallungen mit je 2000 Tieren, 6000 in Boden- und 10 000 in Freilandhaltung. Wer in den Stall geht, schlüpft in Überziehschuhe, es stehen Wannen mit Desinfektionmitel bereit. Wer nur ein paar Hühner halte, gehe vielleicht nach einem Spaziergang am See noch mal kurz bei den Tieren vorbei - und schleppe dann mit infiziertem Kot an den Schuhen das Virus ein, "ohne sich was Böses zu denken".

Die Stallpflicht begrüßt Häsch nicht nur, weil sie die Hühner schützt, sondern auch, weil dadurch eine "Wettbewerbsverzerrung" ausgeglichen werde. Wer Eier aus Freilaufhaltung verkaufen will, muss seine Hühner bei jedem Wetter hinaus lassen. Wer Bio-Eier anbietet, kann die Hühner Häsch zufolge bei schlechtem Wetter oder in Sonderfällen im Stall lassen. Die Eier bleiben Bio-Eier. Besteht wie jetzt Stallpflicht, können die Eier der nicht mehr freilaufenden Hühner weiter unter dieser Bezeichnung vermarktet werden - bis zu zwölf Wochen lang. Häsch hofft, dass der Krankheitsausbruch schon früher erlischt, wenn der größte Teil des Vogelzugs vorbei ist und es kalt wird und schneit. "Dann bleiben die Enten am See", erklärt er - und die Ansteckungsgefahr sinkt.

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Quelle:
SZ vom 22.11.2016
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