Verzicht:Bekenntnis zur Artenvielfalt

Jeschkenstraße Geretsried Wildblumen

Leben statt Gift: Auf der Verkehrsinsel in der Jeschkenstraße in Geretsried wachsen wilde Gräser und Blumen, die Insekten wie die Skorpionsfliege Panorpa communis anlocken. Der Bund Naturschutz fordert solche Biotope in allen Kommunen - und den Verzicht auf Pestizide, die die Artenvielfalt bedrohen.

(Foto: Manfred Neubauer)

Um wilde Blumen und Insekten zu erhalten, fordert der Bund Naturschutz alle Kommunen im Landkreis auf, auf eigenen Flächen keine Pestizide mehr einzusetzen. Einige Gemeinden haben das bereits beschlossen.

Von Konstantin Kaip

Bad Tölz-Wolfratshausen - Um dem Rückgang der Artenvielfalt bei Wildblumen und Insekten entgegenzuwirken, strebt die Kreisgruppe des Bund Naturschutz (BN) einen pestizidfreien Landkreis an. Dazu sollen sich alle Städte und Gemeinden zur "pestizidfreien Kommune" erklären - indem die politischen Gremien beschließen, chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel weder bei der Bewirtschaftung eigener Flächen einzusetzen, noch auf verpachteten landwirtschaftlichen Flächen oder bei privaten Firmen mit kommunaler Mehrheitsbeteiligung zuzulassen.

Zudem sollen bienen- und insektenfreundliche Blühflächen im öffentlichen Raum geschaffen werden. "Wir wollen die Kommunen als Grundbesitzer ansprechen", sagt der BN-Vorsitzende im Landkreis, Friedl Krönauer. Von den Beschlüssen zum Pestizid-Verzicht erhoffe man sich eine "Signalwirkung", die auch private Gartenbesitzer und Landwirte zum Umdenken bewege.

Auch für Haustiere, Schwangere und Kinder seien die Gifte "höchst gefährlich"

In verschiedenen Gemeinden sind bereits entsprechende Anträge gestellt worden oder in Vorbereitung: Laut Krönauer fordern die Freie Bürgerliste in Benediktbeuern, die SPD in Kochel und die Grünen in Bad Tölz einen Beschluss zum Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel. Auch die Grünen in Eurasburg haben kürzlich einen solchen Antrag gestellt. Weil der BN selbst dazu nicht berechtigt ist, hat Krönauer sämtliche Bürgermeister im Landkreis angeschrieben und ihnen einen Fragenkatalog vorgelegt, wie es die Kommunen mit dem Einsatz von Pestiziden halten. Die Forderung auf Verzicht habe man "bewusst nicht auf Glyphosat beschränkt", erklärt der BN-Vorsitzende. Schließlich sei das viel diskutierte Pflanzenschutzmittel nur eines von zahlreichen Pestiziden, die verheerende Auswirkungen auf die ökologische Vielfalt hätten.

Verzicht: Der Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Friedl Krönauer wünscht sich einen pestizidfreien Landkreis.

Der Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Friedl Krönauer wünscht sich einen pestizidfreien Landkreis.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der BN weist hierzu auf den dramatischen Rückgang der Insekten hin, der zahlreiche Honig- und Wildbienen, Fliegen-, Käfer- und Falterarten in ihrem Bestand bedrohe. Mitarbeiter des Entomologischen Vereins Krefeld hätten einen Rückgang der Insektenmasse seit 1989 um 76 Prozent nachgewiesen. Ursachen seien die landwirtschaftlich intensiv genutzten Landschaften mit ihrem hohen Einsatz von Pestiziden und Nikotinoiden. Zwar komme der Großteil der etwa 35.000 Tonnen, die jährlich in Deutschland an Pestiziden ausgebracht werden, in der Landwirtschaft zum Einsatz, heißt es in einer Erklärung des BN. "Jedoch auch in Privatgärten und auf kommunalen Flächen wird gerne zur Giftspritze gegriffen." Das habe nicht nur für Pflanzen, Insekten und Vögel fatale Folgen. Auch für Haustiere, Schwangere und Kinder seien die Pflanzengifte "höchst gefährlich".

Zwar werde der Verzicht der Städte und Gemeinden "nicht in absoluten Werten zur Verbesserung der Artenvielfalt beitragen", sagt Krönauer. Schließlich sei "das wirkliche Problem" die Landwirtschaft. "Da muss die Politik tätig werden." Der BN setze aber auf den Vorbildcharakter der Kommunen, die mit einer klaren Bekenntnis ihrer politischen Gremien ein Zeichen setzen sollen. Bundesweit haben sich laut BN bereits mehr als 200 Kommunen der Initiative angeschlossen und verzichten auf Pestizide, darunter Oberau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen und der Nachbarlandkreis Miesbach. "Es wäre wünschenswert, dass auch bei uns im ganzen Landkreis auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet wird", sagt Krönauer.

Der BN-Vorsitzende hat bereits positive Rückmeldung auf seine Schreiben erhalten, wie er sagt: aus Münsing, Lenggries und Königsdorf. Dort habe der Gemeinderat kürzlich einen Beschluss zum Pestizid-Verzicht in der Kommune gefasst, mit Betonung des Vorbildcharakters in der Begründung. "Das hat uns gefreut." Vorreiter im Landkreis ist die Stadt Wolfratshausen. Dort setzen die Stadtwerke bereits seit 2005 auf kommunalen Flächen keine Pestizide mehr ein, seit etwa zwei Jahren werden auch auf dem Friedhof keine Pflanzenschutzmittel mehr verwendet. Für die landwirtschaftlich genutzten kommunalen Flächen gibt es allerdings noch kein Verbot. "Das lässt sich nur ändern, wenn neue Verpachtungen anstehen", erklärt Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW). Bei Neuvergaben werde die Stadt die Verwendung von Pestiziden untersagen. Auch die Gemeinde Icking hat bereits im Februar beschlossen, auf eigenen Flächen keine Pestizide zum Einsatz zu bringen. Wie Krönauer sagt, wird die Kreisgruppe die Ergebnisse der Aktion und Rückmeldungen der Gemeinden nach und nach auf ihrer Homepage veröffentlichen (bad-toelz.bund-naturschutz.de). Denkbar sei auch eine interaktive Karte, in der die einzelnen pestizidfreien Kommunen dargestellt werden.

Dass nach wie vor viele Gemeinden Pestizide verwenden, sei auch der Bequemlichkeit geschuldet. "Es ist gewissermaßen ein süßes Gift", sagt Krönauer. Denn ohne die Pflanzenschutzmittel müsse etwa der Bewuchs zwischen Pflastersteinen aufwendig von Hand oder mit heißem Wasser entfernt werden. Man müsse sich jedoch auch fragen, ob die so genannten Ruderalpflanzen - also Wildkräuter und Gräser, die auf Schutt, zwischen Pflastern oder an Wegrändern wachsen - tatsächlich stören. "Muss jede kleine Pflanze weichen? Wir hätten gerne, dass man das grundsätzlich überdenkt", sagt Krönauer. Er fordert daher ein "Umdenken bei der Pflege der Liegenschaften" - nicht nur bei den Kommunen. Deshalb werde der BN nun auch einen anderen wichtigen Grundbesitzer ansprechen: "Das nächste, was wir in Angriff nehmen, sind die Pfarreien und Kirchengemeinden im Landkreis", kündigt Krönauer an. "Die haben auch große Flächen und setzen leider oft noch Pestizide ein, zum Beispiel auf den Friedhofswegen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: