Verstärkte Jagd auf Rehe:Dem Wald geht es besser

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Wolfgang Neuerburg vom Forstamt Holzkirchen (li.) zeigt Jägern und Waldbesitzern in Münsing einen verjüngten Mischwald. (Foto: Hartmut Pöstges)

Warum Buchen, Eichen und Tannen immer zahlreicher wachsen - ein Ortsbesuch in Ammerland

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Ein paar hohe Fichten sind in dem Waldstück oberhalb des Gasthauses Gerer in Ammerland noch stehen geblieben. Ihre schmalen, kargen Stämme ragen in die Höhe. Dazwischen sprießen junge, gesunde Tannen, Buchen, Eichen und Vogelbeerbäume aus dem Waldboden. Manche sind so klein, dass sie bei jedem Schritt zertreten werden könnten. Hier hat sich der Wald beispielhaft hin zu einem natürlichen Mischwald verjüngt.

Eine Entwicklung, die auch im übrigen Landkreis zu beobachten ist: Denn weil die Rehe intensiver gejagt wurden, hat der Verbiss abgenommen. Mehr gewünschter Mischwald konnte natürlich nachwachsen. Das zeigt das aktuelle Vegetationsgutachten der Forstverwaltung für die beiden Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach. Nur in den Gebieten bei Egling und bei Lenggries sind die Verbissschäden aus forstlicher Sicht noch zu hoch. Auf 86 Prozent der Waldflächen ist die Belastung "tragbar" oder "günstig". In ganz Bayern trifft das nur auf 53 Prozent zu.

Wie Wolfgang Neuerburg, Bereichsleiter Forsten am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Holzkirchen, sagte, sei der Wald von Thomas Sebald in Münsing ein "Paradebeispiel" für eine günstige Entwicklung. Deshalb hatte er rund 20 Waldbesitzer, Jäger und Behördenvertreter am Mittwoch dorthin geladen. Neuerburg zeichnete eine sehr erfolgreiche Entwicklung nach. Die Verbissschäden seien von 2012 auf 2015 - das Vegetationsgutachten wird alle drei Jahre erstellt und ist Grundlage für die Wild-Abschusspläne - nochmals zurückgegangen. In Münsing von "zu hoch" auf "tragbar".

Kann sich der Wald auf natürliche Weise verjüngen, nimmt die Artenvielfalt zu. Buchen, Eichen, Ahorn und Tannenbäume wachsen besser. Neuerburg hob insbesondere die Tanne hervor. Die Baumart sei für die Stabilität der Wälder wichtig. Sie könne dem Klimawandel besser standhalten als die früher vornehmlich verbreitete Fichte. Allerdings fräßen Rehe, im Gebirge zudem noch Rot- und Gamswild, als erstes frische Tannentriebe. Um die jungen Bäume zu schützen, seien die früher zu hohen Wildbestände auf ein erträgliches Maß reduziert worden. Die übrigen Rehe seien vitaler, gesünder und schwerer geworden.

Der Ammerlander Sebald hat den Fichtenbestand ausgelichtet, damit mehr Mischwald wachsen kann. Gleichzeitig haben sein Neffe Julius Sebald und Michael Pfatrisch ein neues Jagdkonzept entwickelt. Sie jagten nur noch in Intervallen, also zu bestimmten Zeiten etwa im Mai intensiv, wenn das Wild aktiv sei, und gönnten ihm dann für längere Zeit Ruhe. Josef Strobl, Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Münsing, zog eine positive Bilanz. Anfangs habe die Bevölkerung die intensivere Jagd negativ bewertet. Das habe sich gelegt. Der Vorwurf, die Rehe würden so ausgerottet, stimme nicht. Es gebe noch genügend Wild. Und gleichzeitig, habe der Wald die Chance, dass er weiterkomme.

Der Münsinger Revierleiter Sebastian Schlenz betonte, dass es bei der Jagd darauf ankomme, miteinander zu reden. Deshalb existiert auch ein Runder Tisch Jagd. An ihm sind unter anderem die Waldbesitzervereinigung, die Jagdkreisgruppe, die untere Jagdbehörde, der Bauernverband und Vertreter des AELF beteiligt.

Einig waren sich alle, dass die Jäger unter dem zunehmenden Erholungsdruck litten. Gerade in den Dämmerungs- und Abendstunden seien immer mehr Jogger, Radler oder Mountainbiker unterwegs. Sie behinderten die Jäger. Größeres Verständnis sei wünschenswert. Doch würden sie wohl damit leben müssen. In punkto Jagdtrophäen lautete die Erkenntnis: Die würden künftig nicht mehr die Geweihe, sondern die junge Triebe im Mischwald sein.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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