Süddeutsche Zeitung

Verhandlung in München:Fatale Liebe zu teuren Autos

32-Jähriger Bürokaufmann steht als Serienbetrüger vor Gericht

Von Andreas Salch

Schon immer hat Clemens F. (Name geändert, Anm. d. Red.) schnelle Fahrzeuge geliebt. Das erste Auto, das der Bürokaufmann aus dem Landkreis als junger Mann fuhr, war ein Golf GTI, das zweite dann schon ein BMW M 3 - und so ging es weiter. Die Autos wurden immer größer und teurer. Weil der 32-Jährige in seinem Beruf aber längst nicht so viel verdiente, um seine Leidenschaft für exklusive schnelle Wagen zu finanzieren, wurde er zum Betrüger. Seit diesem Montag muss sich Clemens F. vor der 1. Strafkammer am Landgericht München II verantworten. Die Staatsanwaltschaft legt ihm Betrug in 14 Fällen sowie Unterschlagung und Urkundenfälschung zur Last.

Clemens F. legte zum Auftakt der Verhandlung ein Geständnis ab und ließ über seinen Verteidiger, Rechtsanwalt Maximilan Donhauser, erklären, dass er mit seinem "Verhalten" auch seine Behinderung habe kompensieren wollen. F. leidet an einer spastischen Lähmung und sitzt in einem Rollstuhl. Trotz eingeschränkter Motorik kann er aber Auto fahren.

Laut Anklage betrog er von 2018 an unter anderem Autohändler, und zwar meist mit Erfolg. So schloss Clemens F. etwa bei einem Autohaus in Mainburg einen Leasing- beziehungsweise Darlehensvertrag über einen VW T-Roc Style T. Vereinbart waren Raten über 400 Euro pro Monat. Doch bereits wenige Wochen später kam er seiner Verpflichtung nicht mehr nach. Den VW T-Roc gab er, trotz Aufforderung, nicht zurück. Stattdessen vermietete er ihn an seine Tante für 93 Euro pro Monat. Ein psychiatrischer Sachverständiger, der F. vor dem Prozess untersucht hatte, sagte, der 32-Jährige verfüge über "überdurchschnittliche EDV-Kenntnisse". Vermutlich deshalb war es für den Bürokaufmann kein Problem, Einzugsermächtigungen zu fälschen und dadurch an Geld zu kommen. So gelangte er zum Beispiel zu Lasten einer Firma in Höllriegelskreuth an nicht weniger als 209 000 Euro. Etwa zur selben Zeit orderte er in Egmating einen Porsche 991 GT3 RS und zahlte diesen mit ergaunertem Geld. Den Boliden verwendete er kurze Zeit später bei einem Autohändler in Erding als Anzahlung für einen Mercedes E 63 AMG im Wert von 99 500 Euro. Außerdem lieferte er dem Autohändler einen Nachweis für seine scheinbar ungetrübten Finanzen. Dabei handelte es sich um einen laut Anklage "total gefälschten Kontoauszug", der für Clemens F. ein Guthaben von 13 562 634,42 Euro auswies. Als der Schwindel aufflog, soll der Bürokaufmann den Mercedes seiner Mutter überlassen haben. Das allerdings stritt F. bei Prozessbeginn ab.

Der 32-Jährige gab sich sogar als Polizist aus. Die entsprechenden Bezugsmitteilungen, denen zufolge er Kriminalhauptmeister sei und ein Gehalt über 5200 Euro erhalte, waren gefälscht. F. soll die Bezugsmitteilungen nur zu dem Zweck hergestellt haben, um etwa Banken und Autohäuser über seine "Liquidität wahrheitswidrig zu täuschen." Aber nicht nur als angeblicher Kriminalbeamter versuchte der 32-Jährige bei Autohändlern und Banken Eindruck zu machen, sondern auch als Grundstücksbesitzer. Dazu fälschte er einen Kaufvertrag über ein Grundstück von knapp 6000 Quadratmeter am Gardasee.

Ende 2019 liefen gegen den Bürokaufmann bereits eine Reihe von Verfahren, was bei ihm zu einer tief greifenden persönlichen Krise geführt haben soll. Hinzu kam ein folgenschwerer Unfall mit einem Wiesmann Roadster MF4-S, der F. nicht gehörte. Eigentümer war ein Mann, den er bei einem Krankenhausaufenthalt kennengelernt hatte. Ihm gegenüber gab sich der Bürokaufmann als ehemaliger Bundeswehrpilot aus. Bei späteren Treffen mit dem Mann soll F. laut Anklage "stets große Bargeldbündel" dabei gehabt haben. Das wirkte offenbar. Er erhielt den Roadster für eine Überführungsfahrt Ende September 2019. Dabei kam es auf der A 95 in Richtung Garmisch zu einem schweren Unfall. F. kam glimpflich davon. Der Roadster war nur noch Schrott. Schaden: 200 000 Euro. Ein Urteil in dem Prozess wird noch in dieser Woche erwartet.

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SZ vom 13.07.2021
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