Süddeutsche Zeitung

Vatikan:Gläubige wollen mitreden

Die Katholiken im Landkreis reagieren überwiegend positiv auf die Umfrage-Pläne des Papstes. Die Kirche sei in ihren Ansichten nicht mehr zeitgemäß, das Vorhaben dagegen bodenständig.

Von Ingrid Hügenell

Wer katholisch ist und sich scheiden lässt, bricht damit nach katholischer Auffassung das Sakrament der Ehe - mit weitreichenden Auswirkungen. So bekommen Geschiedene, die wieder heiraten, Probleme mit ihren katholischen Arbeitgebern. Sie dürfen nicht zur Kommunion gehen. Die Lebensgemeinschaft von Homosexuellen lehnt die Kirche ab. Ob auch die Gläubigen selbst diese Auffassungen noch teilen, möchte Papst Franziskus herausfinden. Weltweit sollen Bischöfe die Gläubigen zu ihrer Einstellung zu Ehe und Familie befragen.

Eine gute Idee, finden viele Katholiken im Landkreis. "Ein sehr, sehr vernünftiger Schritt", sagt Ruth Mühlberger aus Wolfratshausen. Die 31-jährige Sozialpädagogin ist beim Bund Deutscher Katholischer Jugend (BDKJ) für den Landkreis zuständig. "Das Ergebnis könnte spannend sein. Es könnte sein, dass viele Menschen die Sache lebenspraktischer sehen als die Kirche." Schließlich könne es immer passieren, dass man in eine Situation gerate, die nicht anerkannt sei.

So wie eine Sozialpädagogin aus dem Nordlandkreis, die lange für einen katholischen Arbeitgeber tätig war. Als ihre Ehe geschieden wurde, sei ihr in Gesprächen immer wieder nahe gelegt worden, dass es ein Problem wäre, würde sie wieder heiraten wollen, berichtet sie. Dann müsste das Arbeitsverhältnis neu überdacht werden. Ihr evangelischer Glaube sei dagegen kein Problem gewesen. Inzwischen arbeitet sie an anderer Stelle, will aber ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Dass nun die Gläubigen befragt werden sollen, hält sie für einen Fortschritt.

Gut möglich, dass viele Katholiken im Landkreis mit der Wiederverheiratung gar kein Problem mehr hätten. Aber auch ein ganz anderes Ergebnis ist für die Jugendpflegerin Mühlberger vorstellbar: "Es könnte auch sein, dass alle sagen, es soll so bleiben, wie es ist." Ihr gefalle jedenfalls die neue Offenheit im Vatikan gut. Stephanie Weindl teilt diese Ansicht: "Es ist gut, wenn der Papst und die Bischöfe auf die Leute zugehen", sagt die 22-Jährige, die auf Kreis- und Diözesan-Ebene dem Vorstand des BDKJ angehört.

"Nicht mehr zeitgemäß": So nennt Marianne Süßbauer das katholische Eheverständnis. Auch die Kirche müsse mit der Gesellschaft leben, die da sei. Die 53-jährige Künstlerin aus Königsdorf bezeichnet sich selbst nicht als aktive Katholikin, würde aber an einer Umfrage gerne teilnehmen und so vielleicht wieder näher zur Kirche finden. "Ich freue mich darüber, das hat etwas Bodenständiges", sagt sie. "Die Neuigkeiten vom Papst, die finde ich schön." Wie eben die Umfrage, die "von unten" komme.

Dass tatsächlich alle Katholiken befragt werden, könne sie sich nicht vorstellen, sagt Stephanie Weindl. "Das wäre schwer machbar." Auch Peter Priller bezweifelt, dass alle Katholiken befragt werden. Der Tölzer Priester hat die katholische Kirche verlassen, nachdem er sich als schwul geoutet hatte. Er ist nun bei den Alt-Katholiken. "Die Idee ist sehr gut. Man muss aber genau hinschauen, wer den Fragebogen tatsächlich bekommen wird." Mit der Auswahl der Befragten "kann man das Ergebnis schon beeinflussen. Die Frage ist, ob es dann noch repräsentativ ist." Priller glaubt, in den Bistümern werde wohl ganz unterschiedlich mit der Umfrage umgegangen. Zudem fehlt ihm eine wichtige Frage: "Die nach verheirateten Priestern."

Wie der Vatikan die Umfrage gemeint hat, wird wohl an diesem Dienstag klarer werden: Es ist eine Pressekonferenz zum Thema angekündigt. "Die Deutsche Bischofskonferenz hat den Fragebogen erhalten und wird das weitere Vorgehen beim nächsten Ständigen Rat Ende November beraten", sagt Pressesprecherin Daniela Elpers. Der Fragenkatalog wurde Mitte Oktober vom Generalsekretariat der Bischofssynode in Rom an alle nationalen Bischofskonferenzen geschickt. "Das geschieht vor jeder in Rom tagenden Bischofssynode", erklärt Elpers. Die Synoden fänden alle drei bis fünf Jahre statt. Für Oktober 2014 habe der Papst eine Sondersynode zum Thema "Familie" einberufen, weshalb sich der Fragebogen auf Familienthemen konzentriere.

Kurt Breiter, der Pfarrgemeinderatsvorsitzende der Gemeinde Maria Himmelfahrt, hat bisher nichts davon gehört, dass auch er befragt werden könnte. Er könne sich aber gut vorstellen, an einer solchen Umfrage teilzunehmen. Der frische Wind, den Papst Franziskus in die Kirche bringe, gefalle ihm gut. Gerade zum Thema Scheidung hat er seine eigene Ansicht: "Die Kirche sollte nicht Richter, sondern Vermittler sein", findet der 71-Jährige. Schließlich sei meistens ein Part weniger schuld am Scheitern einer Ehe und müsse trotzdem die Suppe mitauslöffeln.

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SZ vom 05.11.2013
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