Urnengang für Nicht-Wähler:Zehn Prozent für die Tierschutz-Partei

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Josef Birzele (vorne links) moderiert die Diskussion im Jugendzentrum "Saftladen. Rechts auf dem Podium: Kandidaten und Vertreter der Parteien. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die U 18-Wahl macht die Bundestagswahl zum Gesprächsstoff von Schülern

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Als Rudi Mühlhans am Freitagmorgen in die Mensa der Mittelschule kam, um die ersten Vorbereitungen für die U 18-Wahl zu treffen, hatte er ein Erlebnis: "Da saßen die jungen Leute an den Tischen und diskutierten darüber, wen sie wählen werden", erzählte der Geschäftsführer des Trägervereins Jugendarbeit am Freitagabend im Jugendzentrum Saftladen. Gemeint waren dabei nicht etwa Schüler der Oberstufe, sondern die Kleinsten, von denen man politisches Interesse am wenigsten erwarten würde. Das Thema Bundestagswahl war also an der Mittelschule angekommen - nicht nur als Lehr-, sondern als Gesprächsstoff. Ein Ziel des Projekts U 18 war somit schon erreicht.

Wer käme in den Bundestag, wenn Minderjährige ebenfalls mitwählen dürften? Die Antwort ist überraschend ausgefallen: Die unter Geretsrieder Jugendlichen beliebteste Partei ist nach CSU, Grünen und SPD - die Tierschutzpartei. 239 Schüler des Gymnasiums, der Realschule, der Mittelschule und der Waldorfschule kreuzten am Freitag bei der U 18-Wahl die Tierschützern an, was 10,99 Prozent der 2174 gültigen Stimmen entspricht. Die Christsozialen erreichten mit 30,86 Prozent den ersten Platz, gefolgt von den Grünen mit 18,72 Prozent und der SPD mit 13,52 Prozent. 5,06 Prozent wählten die Linke; die AfD schaffte es auf 5,57 Prozent. Zwölf Schüler stimmten für die NPD. Thematisiert wurde das bislang nicht.

Der Trägerverein Jugendarbeit und der städtische Jugendrat brachten die Aktion an die Schulen, um die künftigen Erstwähler an das Thema heranzuführen: Auf den Wahlvormittag folgte ein Diskussionsabend mit den Bundestagskandidaten Hannes Gräbner (SPD), Karl Bär (Grüne), Andreas Wagner (Linke), Holger van Lengerich (Piratenpartei) und Constantin von Anhalt (AfD). Der Landtagsabgeordnete Martin Bachhuber (CSU) und der FDP-Kreisvorsitzende Klaus Andrae vertraten ihre Direktkandidaten. Mit im Publikum saßen die Freunde Lorenz, Daniel, Tobias und Philipp. Auf YouTube habe er sich zu den Parteien informiert, sagte Tobias, der die elfte Klasse des Gymnasiums besucht: Am Ende habe er seine Stimme den Grünen gegeben, weil die sich für den Ausbau des Internets und die Legalisierung von Cannabis einsetzten. "Die Kriminalisierung schadet mehr als die Legalisierung." Daniel gehörte zu den 62 Schülern, welche die Satirepartei "Die Partei" wählten. "Unsere Lehrer dachten, dass wir im Vortrag über die Parteien informiert werden", sagte Daniel. Das sei aber nicht der Fall gewesen. "Viele haben die Wahl deshalb als Scherz gesehen." Sein Mitschüler Lorenz nahm die Wahl dafür sehr ernst: Zum Diskussionsabend erschien er mit einem ganzen Katalog an Fragen, die er den Kandidaten stellen wollte. Wie wollen die Grünen es schaffen, dass von 2030 an nur noch abgasfreie Neuwagen zugelassen werden? Und wie will die SPD eine Bildung finanzieren, die nichts kosten darf? Um die Wahlergebnisse ging es bei der Diskussion nicht, sie wurden erst ganz am Schluss bekanntgegeben - als Highlight des Abends.

Josef Birzele, Leiter der Jugendsiedlung Hochland, moderierte das Aufeinandertreffen. Die Jugendlichen erschienen jedoch nicht zahlreich: Nur gut 20 Besucher saßen vor dem Diskussionspodium, darunter Bürgermeister Müller (CSU), die Jugendreferentin Heidi Dodenhöft (Freie Wähler) und Mitglieder des Jugendrats. Das minderte die Begeisterung der Veranstalter aber nicht. Denn dafür hatten die Jugendlichen laut Mühlhans am Vormittag mit großer Aufmerksamkeit und Ernsthaftigkeit gewählt.

© SZ vom 18.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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