Unterwegs im Wald:Voller Geheimnisse und Wunder

Für Klaus Foerst ist der Wald von klein auf ein besondere Ort. Er schätzt seine mystische Seite ebenso wie die biologischen Fakten.

Barbara Szymanski

Klaus Foerst lächelt, atmet durch, streckt sich, senkt die Stimme, setzt die Schritte behutsam, als er aus dem Auto steigt und eine kleine Lichtung betritt. Er liebt den Wald. Über ihm ein selten gehörtes "Grrog, grrog". Es ist ein Kolkrabe, der knapp über die Baumwipfel streicht. Auch Jackl, der vier Jahre alte englische Springerspaniel, schaut auf. Doch nur kurz. Denn wichtiger sind offenbar fein duftende Spuren im hartgefrorenen Schnee. Von Rehen, Füchsen, Hasen, Mardern, Dachsen. Seine Schnauze fährt auch rasch über einen Teppich von kleinen Fichtenzweigen. Ist der Baum krank? Klaus Foerst lächelt milde. Das seien Eichkatzl gewesen, bei der Futtersuche, erklärt er.

Unterwegs im Wald: 19 Jahre lang leitete der promovierte Klaus Foerst das Forstamt in Wolfratshausen. Und kaum war er in Pension, übernahm er die Aufsicht über die Wälder von Albert Freiherr von Schirnding. Täglich ist er mit Hund Jackel draußen in der Natur.

19 Jahre lang leitete der promovierte Klaus Foerst das Forstamt in Wolfratshausen. Und kaum war er in Pension, übernahm er die Aufsicht über die Wälder von Albert Freiherr von Schirnding. Täglich ist er mit Hund Jackel draußen in der Natur.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Für Klaus Foerst ist der Wald von klein auf ein mystischer Ort. Mit Moos und Flechten überzogene Findlinge in Form von Gebäuden, Gestalten oder Tieren, schrittdämpfende Moospolster und Koniferen mit Flechten wie Bärte, der aromatische Duft von Terpenen (Baumharzen), Dunst und Nebelschwaden am frühen Morgen - "das hat schon etwas Märchenhaftes und Geheimnisvolles", sagt Foerst, der die Geheimnisse des Waldes erforscht hat. Der promovierte Forstwirt leitete 19 Jahre lang das Forstamt in Wolfratshausen. Der Wald und die Jagd bilden außer der Familie, Malerei, Musik und Kunstausstellungen noch immer seinen Lebensmittelpunkt.

Nahtlos hat der groß gewachsene, schlanke 73-Jährige nach seiner Pensionierung die Stelle als Betriebsleiter der gut 200 Hektar großen Waldgebiete von Albert Freiherr von Schirnding angenommen. Der ist Lehrer, Lyriker, Essayist und Literaturkritiker. Jeden Tag und bei fast jedem Wetter zieht es Foerst hinaus. Ins Frauenholz, auf die Weiherleite, zur Marderfalle, in den Herrnwinkel. So heißen die Gebiete im Harmatinger Forst, die er betreut. Und manchmal begleitet ihn von Schirnding.

Was den Wald betrifft sind sich die beiden Männer einig: "Maßvoll Bäume fällen, behutsam pflegen, bestenfalls den amtlichen Hiebsatz erfüllen", sagt der Waldbesitzer. Und genauso denkt und handelt der Förster. Nicht, weil er das muss, sondern weil er fest davon überzeugt ist, dass diese Wälder genau das verdienen. Wirtschaftserträge stehen laut von Schirnding nicht im Mittelpunkt, sondern vielmehr der Erhalt, die natürliche Verjüngung des Walds.

Indirekt fließt die Begegnung mit dem Wald in die Dichtung von Schirndings ein, wie er sagt. "Ich bin nach einem Spaziergang davon durchtränkt. Mein Kopf ist frei, mein Gemüt befriedet." Von Kindesbeinen an war der Wald sein Abenteuerspielplatz, voller märchenhafter Geheimnisse. Wie die Geschichte von Regenwasser in hohlen Baumstämmen. Dort trinken die Zwerge, hat man ihm erzählt. Und er hat es geglaubt.

Klaus Foerst glaubt nicht, er weiß. Zwar nichts von Zwergen, aber unendlich vieles über den Wald. "Ich kenne jeden besonderen Baum", sagt er und deutet auf kerzengerade gewachsene Lärchen, einen gesund aussehenden Buchenschlag und auf ein fremdartiges Gewächs - sorgfältig gesichert vor Wildverbiss. Ein wenig verlegen verrät er, dass hier in dieser Mulde auf dem ehemaligen landwirtschaftlichen Gelände versucht wird, einen Mammutbaum großzuziehen.

Ungefähr einen Meter hoch ist das Bäumchen. "Nur so zur Gaudi", sagt er dazu und will doch lieber über "seine" Bäume reden, über Bodenbeschaffenheit, Sonnenbrand bei Fichten oder Buchen, über Standorterkundungen, die Erstaufforstung, die anderen misslang oder kalkreiche Böden, wie die Esche sie mag. Er spricht von "schlechtem Absprungmechanismus" von Eichenblättern, die dann dem Schneebruch genauso anheimfallen können wie flachwurzelnde Fichten etwa beim Orkan Wiebke am 1. März 1990.

Die Verheerungen hat der Förster nicht vergessen. Der Wald schon. Er hat sich verändert, auf natürliche Weise. Jetzt stehen Ahorn, Esche, Lärche, Fichte, Tanne und Buche da, wo der Boden stimmt, das Kleinklima und der Sonnenlauf. Klaus Foerst sieht sie wachsen und gedeihen, greift nur wenig ein. Beobachtet lieber.

Harte Fakten mag der Förster jedoch auch, um Menschen von der Bedeutung des Waldes zu überzeugen: Eine einzige Buche mit zwölf Metern Kronendurchmesser hat eine Blattfläche von zwei Fußballfeldern, mithin also 15 000 Quadratmeter. Sie verbraucht 18 Kilogramm Kohlendioxid am Tag und macht daraus zwölf Kilogramm Zucker und 13 Kilogramm Sauerstoff. Das sind über viereinhalb Tonnen Sauerstoff im Jahr. "Abfall von Bäumen ist Sauerstoff. Das ist doch ein Wunder", sagt Foerst.

Er schwärmt von mystischen Wäldern in der Schweiz, dem Bayerischen Wald oder den Wadlhauser Gräben. "Der Westteil ist auch einer dieser verwunschenen, wunderbare Orte", sagt er und will gar nicht an die hohen Windräder denken, die dort einmal aufgestellt werden sollen. Er empfiehlt Holzhäuser, die die Herzfrequenz beruhigen, und er weiß von italienischen Geigenbauern, die in Baumstämme hineinhorchen, ob sie zum Instrumentenbau taugen. Foerst horcht auch und lässt horchen bei Walderkundungen. Mit einem Stethoskop, das er an die Rinde von Bäumen hält. "Im Frühjahr ist dann der Saftfluss zu hören - wie ein feines Wasserrauschen", sagt er. Jetzt im Winter herrscht Vegetationspause. Jetzt rauscht nichts.

Doch auch im Winter streift der Förster täglich durch den ihm anvertrauten Wald. Mit seinem Hund, der auch bei geflüsterten Befehlen pariert. Klaus Foerst - Nomen es omen - der nichts anderes als Förster werden wollte, freut sich über Bartflechten an Bäumen, die saubere Luft anzeigen oder über das prächtige Wachstum junger Tannen. Und auf den jährlichen Urlaub - am Mittelmeer. Dann lauscht er nicht dem Rauschen in Leitgefäßen von Bäumen, sondern dem von Wellen.

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