Süddeutsche Zeitung

Unterstützung:"Viele haben ihr Haus verloren"

Die Tölzerin Edna Ullmann hilft ihren Landsleuten auf den Philippinen nach Tropensturm und Vulkanausbruch

Von Klaus Schieder

Als Edna Ullmann auf den Philippinen landete, war schon die nächste Katastrophe passiert. Eigentlich hatte sich die Tölzerin im Januar auf den gut 10 000 Kilometer langen Weg in ihre alte Heimat gemacht, um den Opfern des Tropensturms zu helfen, der an Weihnachten über die Insel getobt war und bei dem mehr als 240 Menschen ihr Leben verloren hatten. Aber gleich nach ihrer Ankunft brach der Vulkan Mayon aus, der 330 Kilometer südlich von Manila liegt, auf halber Strecke zu ihrem Geburtsort Davao ganz im Süden. "Viele Leute haben ihr Haus verloren, alle hatten Angst, dass der Vulkan wieder ausbricht", erzählt Edna Ullmann.

Zusammen mit ihrem Mann Siegfried wollte die 53-Jährige, die seit 26 Jahren in Tölz lebt, ihren Landsleuten helfen, die Folgen des Tropensturms zu überwinden. Auf ungewöhnliche Art und Weise: Edna Ullmann, die in der Kurstadt eine asiatische Wellness-Praxis betreibt, versucht mit Massagen, dem Körper ihrer Kunden wieder Kraft und Balance zu geben, Blockaden zu lösen, positive Energie zu vermitteln. Mehr als 80 000 Menschen mussten vor den Eruptionen des 2400 Meter hohen Vulkans ihr Zuhause aufgeben und in Notquartieren untergebracht werden. Zehn Stunden lang fuhren die Ullmanns mit dem Taxi von Manila nach Davao, weil kein Flugzeug, kein Zug mehr verkehrte. Sie sahen all die Zerstörungen durch den Ausbruch. "Die Leute waren depressiv. Sie waren im Schock", erzählt die 53-Jährige.

In der Municipal Hall von Guinobatan am Fuße des Mayon Vulcano Naturparks half sie mit, für die Kinder zu kochen, die in der nahen Schule behelfsweise unterbracht worden waren. "Ich war da die einzige Person aus Deutschland", sagt sie und lacht, weil dies ja kaum anders zu erwarten war. Und sie bot ihre Massagen und ihre psychische Hilfe an. Auf einem Foto zeigt sie eine Reihe von Menschen, die für dieses Angebot in einer Warteschlange stehen. Der Ausbruch des Mayon und der Verlust der Häuser seien eben "Schicksal", sagt Edna Ullmann. Aber das müsse man akzeptieren und positiv denken. "Ich war da zum Helfen und zum Glücklich-Machen." Sie selbst lebte in all dieser Zeit in einem Hotel. Selbst in den Häusern, die noch standen, wäre das Wohnen zu riskant gewesen.

Gefährlich war für die Tölzerin allerdings auch der Aufenthalt im Hotel. Auf einem Gang, der gerade mit viel Wasser geputzt worden war, rutschte sie aus und verletzte sich am Bein. Da war ihr Mann schon wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Einen Monat lang habe sie Schmerzen gehabt und im Rollstuhl sitzen müssen, erzählt sie. Aber sie glaubt fest an Gott, "die Engel helfen mir, und es wird wieder gut". Sie bezahlen jedoch nicht die Hotelrechnung. Aber dabei half Edna Ullmann ihr zweites Talent: Sie ist auch Malerin und gehört dem Tölzer Kunstverein an.

Zwei Bilder, die sie während der Zwangspause malte, habe der Millionär Gabby Concepcion abgekauft. Ein Journalist veröffentlichte einen Artikel über ihren humanitären Einsatz und über ihre Kunst in der Mindanao Times. Sie trat vier Minuten lang mit einer Performance aus Tanz und Gesang in der Gaisano Mall in Davao auf. Und dann wurde ihr nach eigenen Angaben noch eine besondere Ehre zuteil: Sie durfte im Museum ihrer Geburtsstadt ausstellen.

Die Eröffnungsrede hielt Präsident Rodrigo Duterte höchstselbst, seine Tochter ist Bürgermeisterin von Davoa. Sein Name steht auf dem Einladungsschreiben, das Edna Ullmann für die Vernissage erhalten hat. "Duterte glaubt an meine Kraft", sagt sie. All diese Erlebnisse habe sie am Ende ihren Kunstfreunden in Bad Tölz zu verdanken. "Ich bin dankbar den deutschen Leuten, weil ich durch sie mein Talent entdecken konnte."

In Tölz wird sie nun ihre Praxis weiter betreiben. Sie liebe diese Arbeit, sagt sie. "Ich kann negative Energien lösen, die Menschen zufrieden machen im Leben."

Auf den Philippinen werden die Opfer von Tropensturm und Vulkanausbruch trotz ihrer Massagen vermutlich noch lange brauchen, um mit ihren Traumata leben zu lernen. Zumindest haben sie in den Monaten, in denen Edna Ullmann auf den Philippinen war, ihre Häuser wieder aufgebaut. "Notdürftig", sagt sie. "Vorübergehend."

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Quelle:
SZ vom 18.08.2018/shs
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