Süddeutsche Zeitung

Ungewöhnlich großes Programm:Lebhafte Geschichtspflege

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Der Historische Verein Wolfratshausen blickt auf ein aktives Jahr zurück

Der Historische Verein Wolfratshausen hat im zurückliegenden Jahr den "äußersten Rand seiner Kapazitäten" erreicht: Auf sechs Veranstaltungen pro Jahr hat sich der Verein selbstverpflichtet; diesmal aber brachte er es auf zwölf, wie die Vorsitzende Sybille Krafft in der Jahreshauptversammlung am Montag berichtete. Das Programm reichte von einer Kundgebung zum Internationalen Frauentag mit Vorführung des Films "Suffragette" bis zur Spurensuche im ehemaligen Hochlandlager Königsdorf. Dort, auf dem Gelände des einstigen Hitler-Jugend-Lagers (1936 bis 1945) befand sich zwischen 1946 und 1948 ein Camp für Displaced Persons als Außenstelle von Föhrenwald.

Ein Highlight war der Abend, an dem der ehemalige Kulturreferent Ludwig Gollwitzer seine Sammlung historischer Ansichtskarten der Stadt zeigte und Hans Reiser dazu seine Wolfratshauser Familienchronik vorstellte. Ebenso gefragt war der Nachmittag am Denkmaltag zu Sankt Laurentius Nantwein. Paul Brauner führte über den Friedhof; Bernhard Reisner erklärte die Nantovinus-Legende, Wolfgang Schäl die Geschichte der Kirche.

In die Reihe der Spontan-Veranstaltungen gehört eine Demonstration in der Alpenstraße, zu welcher der Historische Verein auf Anhieb einige Dutzend Leute bewog. Der Versuch, mit Demo und Brandbrief an den Landrat den Abriss des Hauses mit der Nummer 14 zu verhindern, scheiterte letztlich; das Landratsamt billigte den Abbruchantrag. Das Wohnquartier an der Alpenstraße wurde laut Denkmalliste in den Jahren 1936 bis 39 errichtet. Es steht im Zusammenhang mit dem Lager Föhrenwald, heute Waldram. Hier wie dort schufen die Nazis Wohnraum für Beschäftigte der Rüstungswerke Geretsried-Gartenberg; in Föhrenwald für die Arbeiter und kleineren Angestellten; zwischen der heutigen Schießstätt- und der Alpenstraße für leitende Angestellte, Ingenieure, Direktoren. Der Ensembleschutz bewahrt allerdings das einzelne Gebäude nicht zuverlässig vor dem Abriss.

Denkmalschutz ist schon immer ein zentrales Thema des Vereins, und da gebe es keineswegs nur Niederlagen zu beklagen, sagt Krafft. Zu den Erfolgen zählten die Rettung des Badehauses am Kolpingplatz in Waldram und die Sicherung des Denkmalschutzes für das Alte Krankenhaus an der Sauerlacher Straße. Dieses gehörte auch zu einem Vortrag der Architekturhistorikerin Kaija Voss am Montag beim Historischen Verein - neben anderen Denkmalen wie den Kalvarienbergen in Lenggries und Bad Tölz, Schloss Harmating oder der Tölzer Kirche Maria Himmelfahrt. Fritz Schnaller (SPD), Zweiter Bürgermeister der Stadt Wolfratshausen, regte an, der Historische Verein könnte Erkenntnisse wie die über das Alte Krankenhaus einmal im Stadtrat vortragen. "Das würden wir liebend gern machen", sagt Krafft.

An der Spitze des Vereins gibt es lediglich zwei Wechsel, die sich aus dem Rückzug zweier Beisitzer erklären: Paul Brauner und Eva Greif haben aufgehört; an ihre Stelle wurden Ludwig Gollwitzer und Klaus Lüth gewählt, und zwar ebenso einstimmig wie der gesamte Vorstand rund um Sybille Krafft.

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SZ vom 05.04.2017 / fam
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