Umweltpreisträger im Portrait:Wächter des Wissens

Umweltpreis Christine Oswald

Umweltpreisträgerin Christine Oswald am Walchensee

(Foto: Manfred Neubauer)

Wer auf seinem Bauernhof Urlaubsgäste beherbergt, gibt Wichtiges an die junge Generation weiter: Wie wird Quark hergestellt, wieso braucht es Weiden? Im Tölzer Land erhalten diese Höfe jetzt den Umweltpreis

Von Alexandra Vecchiato, Jachenau

Die Kulturlandschaft zu pflegen, das Wissen, wie auf dem Bauernhof Lebensmittel hergestellt werden, zu vermitteln und mit der Natur im Einklang zu leben - all dies ist das Bestreben der "Anbietergemeinschaft Bauernhofurlaub im Tölzer Land e. V.". Deren Einsatz würdigt der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen mit der Verleihung des Umweltpreises. Für den Verein wird die Vorsitzende Christine Oswald aus Sachenbach, Gemeinde Jachenau, die Auszeichnung entgegennehmen.

Kinder wüssten heute oft nicht, dass Kühe nicht lila sind

Das Angebot "Urlaub auf dem Bauernhof" sei in ihren Augen sehr wichtig, würde es doch helfen, Wissen zu vermitteln, das sonst vielleicht verloren ginge. "Es gibt Kinder, die wissen nicht, dass die Milch von der Kuh kommt. Und dass diese nicht lila ist", erzählt Oswald. Oder dass ohne Almen und deren Beweidung es so manche Pflanzen gar nicht mehr auf den Bergen gäbe. Würde das Vieh kleine Bäume nicht am Wachsen hindern, gäbe es nichts als Wald. "Davon profitieren alle", ist Oswald überzeugt.

Die Herbstsonne verwandelt den Walchensee in einen funkelnden Diamanten. Radfahrer, Wanderer und Surfer nutzen diese letzten schönen Herbsttage. Ihr Weg führt sie auch nach Sachenbach, einen Weiler mit zwei Bauernhöfen am Ostufer des Sees. Einer davon, der "Seppenbauernhof", ist die Heimat von Oswald. Ja, meint sie auf dem Weg zur Sachenbacher Bucht, für diesen Flecken Erde müsse man schon dankbar sein. Nicht von ungefähr war eben diese Gegend einer der Drehorte für "Wickie und die starken Männer" von Michael Bully Herbig. An den Rummel, den das mit sich brachte, mag sie gar nicht mehr denken. Ruhig wird es für die Familie Oswald aber sowieso erst von November an, wenn keine Feriengäste mehr da sind.

Von Mai bis Oktober bewirtschaften Oswalds eine Alm

Den Sommer verbringt die 55-Jährige mit ihrem Mann Hans, 65, auf der Jocheralm, die oberhalb des Walchensees auf dem Jochberg liegt. Von Mai bis Oktober bewirtschaften sie gemeinsam die Alm, versorgen jedes Jahr im Schnitt 50 Stück Vieh. Die Hälfte der Rinder gehören den Oswalds, die übrigen drei anderen Bauern. Gesünder seien die Tiere, wenn sie auf der Alm sind. Ihre Muskulatur besser, letztlich ihr Fleisch schmackhafter. Die Oswalds haben keine Milchwirtschaft, der Seppenbauernhof ist ein reiner Aufzuchtbetrieb.

2006 haben der Sohn Hans und Schwiegertochter Magdalena den Hof übernommen. Seitdem sind Christine Oswald und ihr Mann auf der Alm. Sie war 19, als sie den zehn Jahre älteren Landwirt geheiratet hat. Vielleicht sei sie damals, so jung wie sie war, ein bisschen blauäugig gewesen. Das Bauersein - das müsse man halt mögen, sagt sie. Auch wenn die Bürokratie in all den Jahren überhand genommen habe.

Seit 1994 gibt es die Arbeitsgemeinschaft, seitdem arbeitet Christine Oswald im Vorstand mit. 74 Mitglieder hat der Verein derzeit, darunter die Vitalhöfe, Kinderlandbetriebe und Bio-Höfe. Ziel der beteiligten Betriebe war es, sich neben der Landwirtschaft ein zweites Standbein mit "Urlaub auf dem Bauernhof" und der Vermarktung eigener Produkte zu schaffen. Selbst gebackenes Brot, selbst gemachte Konfitüre, die Produkte der eigenen Tiere - all dies und vieles mehr haben sie im Angebot.

Viel Geld wird ausgegeben - aber wenig davon für Lebensmittel

Oswald etwa verarbeitet die Milch der Kühe auf ihrer Alm zu Käse. Wie viele Hundert Bergwanderer sie im Jahr bewirtet, kann sie nicht sagen. Da kann es schon sein, dass sie Vorbeikommenden erklären muss, dass aus Magermilch Quark gemacht wird, aus Rahm aber Butter; dass es einen Unterschied zwischen Ochse und Stier gibt. Nicht verstehen kann die 55-Jährige, warum die Leute für so vieles jede Menge Geld ausgeben, aber Lebensmittel müssten stets billig sein. Doch wie sollen Landwirte dann überleben? Bauern hätten die Landschaft geschaffen, die alle so lieben. "Daher müssten doch alle froh sein, wenn es junge Menschen gibt, die die Arbeit fortführen", sagt sie. Und damit die bayerische Kulturlandschaft in ihrer Schönheit und Besonderheit für die Nachwelt erhalten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: