Umjubelte Saxofonistin:Magisches Irrlichtern

Geltinger Kulturtage 2019 - PiPaPo

"Best of": Stephanie Lottermoser bei ihrem Auftritt im ausverkauften "Hinterhalt".

(Foto: Hartmut Pöstges)

Stephanie Lottermoser und Band liefern im "Hinterhalt" einen mitreißenden Jazzabend ab

Von Barbara Szymanski, Geretsried

Da ist dieser neue Ton, die neue Form, die neue Sicht und die Schönheit im Chaos: Stephanie Lottermoser legt los mit einem Drive, der die Zuhörer im ausverkauften Geltinger "Hinterhalt" beim Pipapo-Festival an einem ganz normalen Dienstagabend zwischen Magie und Rationalität in der Schwebe hält. Die Saxofonistin mit starken Verbindungen zu Geretsried befindet sich derzeit auf Jubiläumstour. Vor zehn Jahren erschien ihr erstes Album. Das aktuelle kam 2018 heraus und hat den Titel "This Time".

Die Musikerin, Komponistin und Sängerin hat eine handverlesene Crew von Musikern um sich geschart, die diese ungeheure Intensität und das Irrlichtern zwischen nahezu allen Facetten des Jazz und jenseits von Komponenten wie Notation oder Wiederholbarkeit nicht nur mitmachen, sondern - wie es scheint - just in diesem Moment weiterentwickeln. Sie kündigt ein "Best of" an, und viele Köpfe werden schräg gehalten - ein Zeichen von besonderer Zugewandtheit und Aufmerksamkeit. Kein Zweifel: Hier sitzen ziemlich erwachsene Kenner im Publikum, die wissen, dass der Jazz auch außerhalb des rhythmischen Prinzips ganz hervorragend funktioniert. Und wie!

Vorwärtsstrebender, rockiger, kantiger, ja fast harter Jazz wird hier gespielt und mit Teamgeist zelebriert. Zum Auftakt gibt es gleich mal eine Kostprobe, wie der weitere Abend verlaufen wird, mit dem Song "Suddenly" aus dem Album, das Lottermoser in Paris geschrieben hat. Zwischen fliegenden Takt- und Stilwechseln vom europäischen Festland hinüber nach Südamerika und wieder zurück bietet sich dem Gitarristen Lars Cölln die Gelegenheit, sich mit einem atemberaubenden Solo zu exponieren. Auch "Pink" schrieb Lottermoser in Frankreichs Hauptstadt, und sie singt genauso roséfarben und anmutig, wie der Songtitel es nahelegt. Frisch und klar ist ihre Stimme, fast mädchenhaft. Sie muss ihre Stimmbänder nicht strapazieren, um zu fesseln und zu berücken.

Lässig spaziert sie vor ihren Musikern auf und ab und gibt nur wenige Zeichen. Sie und die anderen Musiker lächeln jedoch anerkennend und ein wenig bewundernd, wenn der Drummer Jost Nickel loslegt. Mit dem Wort furios lässt sich seine Arbeit am großen Besteck am besten beschreiben. Dabei bleibt er kreativ, feinfühlig und vielfarbig.

Ob ein einjähriges Kind bei der Ballade "Lullabye" tatsächlich einschlafen könnte, darf bezweifelt werden. Denn auch dieser Song ist voller Kraft und in trockenen, schnörkellosen Sound eingebettet wie fast alle Stücke. Für die erwachsenen Zuhörer jedoch Gelegenheit, sich ein wenig einlullen zu lassen, zur Ruhe zu kommen und die Beine stillzuhalten. Denn sonst sind es einstürzende Neubauten, welche die Jazzer - darunter auch Till Sahm an den Keys und Joachim Seifert am Bass - abliefern bei ihren locker und spontan wirkenden Improvisationen oder spannenden Dialogen zwischen dem Drummer und Lottermosers Saxofonspiel. Dabei werden Melodik, Harmonik, Form und Stil zwar etwas unscharf, dafür jedoch gewinnt es an Strahlkraft und Kreativität.

Neben schön geformten Balladen und den gesungenen Parts mit der verletzlichen Stimme Lottermosers bestreitet der ungeheure Drive den Abend, der zwar viele Gelegenheiten für Beifall, Pfiffe und Schreie bietet, der letztendlich aber zum gespannten Zuhören und innerlichem Mitmachen einlädt.

Am Ende verspricht Lottermoser, in einem Jahr wiederzukommen auf ihre Heimatbühne in Gelting, vermutlich mit neuer Schönheit im jazzigen Chaos.

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