Süddeutsche Zeitung

Umgestaltung:Geretsried bricht auf

Die Stadt will sich aus dem Dunst der Fünfziger und Sechziger befreien. Am Karl-Lederer-Platz soll die "Neue Mitte" entstehen. Der Stadtrat lehnt ein dagegen gerichtetes Bürgerbegehren als unzulässig ab

Von Felicitas Amler, Geretsried

Der Umbruch ist sichtbar geworden in Geretsried: Im Karl-Lederer-Platz klafft seit dem Sommer ein riesiges Loch. Die Baugrube umfasst rund 4000 Quadratmeter, und für die Einfassung mit Spundwänden wird bis zu elf Meter tief gebohrt. Der Bau, der hier entsteht, wird eines Tages mit sieben Geschossen weit über die Häuser der Nachbarschaft hinausragen; eine Tiefgarage mit etwa 400 Plätzen wird das ganze Areal vom Rathaus bis zur Egerlandstraße unterirdisch durchziehen. Für Bürgermeister Michael Müller (CSU) ist das Vorhaben eine bayernweit "einzigartige Chance". Denn während andere Innenstädte alt, sehens- und schützenswert sind, kann sich Geretsried mal eben vom Dunst der Fünfziger und Sechziger befreien. Anwohner allerdings sehen das ganz anders; sie sprechen von einem "Monsterbau", den sie sogar mit einem Bürgerbegehren zu verhindern versuchen.

Der Platz gegenüber dem Rathaus soll zur neuen Mitte der Stadt entwickelt werden, modern, urban, belebt und im ersten Schritt vor allem mit reichlich Platz für Einzelhandel. Für das große Gebäude, welches das Familienunternehmen Krämmel errichtet, hat die Stadt sogar ein Stück ihres Platzes verkauft - denn nur durch einen Vorbau ist der 1300 Quadratmeter große Edeka-Markt unterzubringen. Planer, Stadt und die örtliche Handelsvereinigung ProCit erhoffen sich davon einen "Magnetbetrieb", der möglichst viele kleine und attraktive Geschäfte nach sich ziehen soll.

Die Pläne zur Entwicklung des Karl-Lederer-Platzes sind monatelang diskutiert worden. Der Stadtrat hat sie in vielen Sitzungen und Workshops besprochen. Das meiste habe öffentlich stattgefunden, betont die Politik. Dennoch fühlen sich manche Bürger nicht ernst genommen. Einige nehmen sich einen Rechtsanwalt, um ihre Widersprüche vorzubringen; schließlich tun sich Anwohner zusammen, um ein Bürgerbegehren zu initiieren. Ziel sei es, so erklärt einer der sechs Initiatoren, der Zahnarzt Elmar Immertreu, "dass der Platz in seiner Qualität erhalten bleibt und kein schattiges Loch wird". Wer das Begehren unterstützt, votiert damit gegen die siebengeschossigen Wohn- und Geschäftshäuser der Krämmel-Familien-GbR (Hausnummer 14 bis 18) und der Architekten Rainer Adamek und Ludwig Hölzl (Nummer 20). Gleichzeitig wird ein "ortsbildverträgliches Maß" der Bebauung gefordert, wofür als Referenzbau das KLP 9 an der Ecke Karl-Lederer-Platz/Hermann-Löns-Weg genannt wird. Der Platz soll, so heißt es weiter, als Begegnungsstätte und Ort für Märkte und Veranstaltungen erhalten werden. Mindestens 1546 Unterschriften sind nötig - mehr als 2000 sind es am Ende. Doch die Anzahl ist nicht entscheidend. Der Stadtrat lehnt - beraten von einem Fachanwalt für Verwaltungsrecht - das Begehren ab. Es wäre, so Anwalt Klaus Hoffmann "ein Verfahren, das ins Nirwana führt". Die Begründung zum Begehren sei irreführend und zu undifferenziert. Die Fragestellung sei nicht zulässig, da sie mehrere Sachverhalte kopple. Der Rechtsanwalt moniert, dass stimmberechtigten Bürgern fälschlich suggeriert werde, die Bauvorhaben seien noch zu verhindern. Tatsächlich aber liegen bereits die Baugenehmigungen vor.

So wird am Karl-Lederer-Platz weitergebaut. Und die Stadtpolitik richtet ihr Augenmerk auf den weiteren Umgriff ums Rathaus. Das Areal zwischen Karl-Lederer-Platz, Stadtmuseum und Böhmwiese soll nicht nur mit Geschäften entwickelt werden, sondern auch mit Kultur. Im ersten Quartal 2018 wird dafür ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben. Spätestens in 15 Jahren könnte nach Müllers Überzeugung die "Rathaus- und Kulturmeile" fertig sein - mit Bücherei, Archiv, VHS, Museum, Saal und Galerie für zeitgenössische Kunst. Der Umbruch geht also weiter in Geretsried.

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Quelle:
SZ vom 28.12.2017
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