Umgehungsstraße:Historische Dimension

Der Gemeinderat beschließt, die ortsnahe Variante der Umfahrung durch die Flur weiterzuverfolgen. Eine erneute Beteiligung der Schäftlarner durch einen Bürgerentscheid lehnt das Gremium ab

Von Katharina Schmid

Die Diskussion war lang, die Entscheidung fiel schwer, aber immerhin wurde sie am Ende getroffen. Mit einer Mehrheit von 14 zu sechs stimmten die Gemeinderäte am Mittwoch dafür, die ortsnahe Variante B der Hohenschäftlarner Nordumfahrung weiterzuverfolgen. Damit sind die beiden Alternativtrassen entlang des Waldrands und durch den Wald vom Tisch. Die Umfahrung wird durch die Schäftlarner Flur führen. Mit dieser Entscheidung folgten die Gemeinderäte der Empfehlung des Staatlichen Bauamts und der Unteren Naturschutzbehörde. Das Interesse der Bürger war groß, vor allem Anwohner der Starnberger Straße waren in den Sitzungssaal gekommen.

Knapp eineinhalb Stunden diskutierten die Vertreter der verschiedenen Fraktionen am Mittwochabend erneut über die Umfahrung. Dass es sie brauche, stellten die wenigsten in Frage. Wo sie verlaufen solle und wie man zu dieser Entscheidung kommen könne, war jedoch erneut Gegenstand einer intensiven Debatte. Die Diskussion spiegelte die vergangenen Jahre wider, in denen trotz einer intensiven Beschäftigung mit dem Thema keine Einigung zum Trassenverlauf gefunden werden konnte. Die Bürger im Ort sind in dieser Frage so gespalten wie die einzelnen Fraktionen. Auch eine Bürgerbeteiligung hatte kein eindeutiges Ergebnis gebracht. Drei Varianten waren danach zur Prüfung ihrer Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit an die zuständigen Stellen gegeben worden.

Das Ergebnis: Sowohl die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt als auch das Staatliche Bauamt Freising favorisieren die ortsnahe Variante B. Die Begründung: Sie zerschneide Habitate und störe Arten in einem geringeren Maß als die anderen Varianten und verursache mit der geringsten Baulänge die geringsten Kosten. Zudem entlaste sie die Ortsdurchfahrt voraussichtlich am meisten. Denn je länger und umwegiger eine Ortsumfahrung sei, desto weniger Akzeptanz erfahre sie von den Verkehrsteilnehmern. Bürgermeister Matthias Ruhdorfer brachte zu Beginn der Debatte im Rat die Möglichkeit ins Spiel, die letzte Entscheidung über die Trassenführung in einem Bürgerentscheid den Menschen zu überlassen. So würde die Entscheidung "mehr Akzeptanz erfahren".

In der folgenden Diskussion äußerten sich zuerst die Fraktionssprecher. Maria Kötzner-Schmidt von der Gemeindeunion (GU) plädierte dafür, die Umfahrung über die Trasse durch den Wald, die Variante BI, weiter zu favorisieren. Ihre Fraktion wolle eine Entlastung der Starnberger Straße und eine Eindämmung des Gefahrenpotenzials im Ort, jedoch sei auch die Flur als Naherholungsgebiet ein hohes Gut. Dem Vorschlag Ruhdorfers stand Kötzner-Schmidt offen gegenüber: "Die Bürger erneut zu befragen, würde der Bedeutung dieser Entscheidung gerecht."

Umgehungsstraße: Die Anwohner der Starnberger Straße in Hohenschäftlarn fordern seit Langem eine Ortsumfahrung. Nun steht deren Trasse fest.

Die Anwohner der Starnberger Straße in Hohenschäftlarn fordern seit Langem eine Ortsumfahrung. Nun steht deren Trasse fest.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Christian Lankes, Fraktionssprecher der in der Frage der Umfahrung gespaltenen Grünen, bewertete die ortsnahe Variante als einzige "Möglichkeit, die realisierbar ist". Wegen des Verlusts eines Teils der Flur falle es ihm grundsätzlich schwer, für die neue Straße einzustehen. Er sehe darin aber auch eine Chance für die städtebauliche Entwicklung des Orts: "Wir können durch diese Maßnahme den ganzen Ortskern aufwerten." Die Starnberger Straße stehe an ihrer Belastungsgrenze, der Verkehr werde in den nächsten Jahren deutlich zunehmen, der öffentliche Verkehr im Münchener Umland sei schon jetzt überfordert und an die Mobilitätswende auf dem Land glaubt Lankes in naher Zukunft nicht. Er plädierte für eine Entscheidung des Rats, der er eine "historische Dimension" zumaß. Er könne sich aber auch eine erneute Befragung der Bürger vorstellen.

CSU-Vorsitzender Christian Fürst sprach von einem Fenster, das jetzt, nachdem alle Varianten von den Behörden geprüft worden seien, offen stehe. Ohne Umfahrung habe der Ortsbereich an der Starnberger Straße keine Zukunft. Da Schäftlarn "leider in einem verkehrsreichen Gebiet" liege, sei alles andere als eine Umfahrung "nicht zielführend". Er sprach sich für einen Bürgerentscheid aus. Aufgrund der Tragweite der Entscheidung, sei es wichtig, "alle Bürger zu fragen".

Maria Reitinger, Sprecherin der Unabhängigen Wählergruppe Gemeindewohl (GW), plädierte sich für die ortnahe Variante. Für die beiden anderen sehe sie "kein Realisierungspotenzial". Eine Abstimmung des Gemeinderats hielt sie für unbedingt notwendig: "Die Bürger haben ein Recht, unsere Meinung zu kennen. Wir sollten die Entscheidung nicht auf den Bürger abschieben." Auch glaube sie, dass es nach der Entscheidung für eine Variante "so oder so" ein Bürgerbegehren geben werde.

Franz Strobl (CSU), der durch Zerschneidung der Flur als Landwirt direkt von der Umfahrung betroffen ist, sagte, er habe in der ganzen Diskussion die Suche nach einer überregionalen Lösung vermisst, "um den Verkehr im Süden Münchens vernünftig zu steuern". Ulrich Stuke (Grüne) monierte, dass nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden seien, "um den Verkehr durch die Gemeinde zu erschweren". Es war schließlich der Neue im Rat, Karl-Otto Saur, kurz zuvor als Nachfolger des verstorbenen Hans-Jürgen Heinrich (SPD) vereidigt, der der Diskussion eine klare Richtung gab. Er habe miterlebt, wie lange es gedauert habe, zu keiner Lösung zu kommen. Alle seien sich zwar einig, dass etwas geschehen müsse. Alle blieben sich aber wohl auch uneinig, wie dies ausgestaltet sein solle. Ein Gemeinderat habe aber "die Plicht und Schuldigkeit, für die Bürger vernünftig zu entscheiden". Sich so lange mit etwas zu beschäftigen und dann zu sagen, "jetzt wissen wir auch nicht weiter", sei kein gangbarer Weg. Ein Bürgerentscheid sei "nach Tunlichkeit nicht in den Vordergrund zu stellen".

Ruhdorfer beendete die Diskussion mit der Feststellung: "Wir können nur mit einer Variante in die Entwurfsplanung gehen." Mehrheitlich sprachen sich die Gemeinderäte schließlich für die ortsnahe Variante B der Umfahrung aus. Der GU-Antrag auf ein Ratsbegehren, das zu einem Bürgerentscheid über die Variante B führen sollte, kam nicht zum Tragen. Die GU stimmte mit Franz Strobl (CSU) und Ulrich Stuke (Grüne) geschlossen gegen den Ratsbeschluss.

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