Umgang mit Geschichte:Tölz benennt Straße um

Umgang mit Geschichte: Die bisherige Stollreither-Promenade wird ab der Isarbrücke künftig "Bürgermeister-Holzner-Promenade" heißen.

Die bisherige Stollreither-Promenade wird ab der Isarbrücke künftig "Bürgermeister-Holzner-Promenade" heißen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Promenade soll künftig NS-Gegner würdigen

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Die Kurstadt setzt sich mit ihrem historischen Erbe verantwortungsbewusst auseinander. Das zeigt sich in einer Reihe von Aktivitäten und Beschlüssen der vergangenen 25 Jahre, die auch im Stadtbild sichtbar sind: das Todesmarsch-Mahnmal vor der Mühlfeldkirche, die Erinnerungstafel vor dem Landratsamt für die Widerstandskämpferin Marie-Luise-Schultze-Jahn, die künftig auch Namensgeberin der Tölzer Förderschule sein wird. Die Ge(h)denksteine für ermordete Mitbürger in der Marktstraße oder die Gestaltung der Hindenburgstraße als Informationsweg. In der Stadt folgt man dem Leitsatz: Geschichte nicht tilgen oder vergessen machen, sondern durch Information zur kritischen Auseinandersetzung einladen.

Dieser Maxime ist der Stadtrat auch am Dienstag gefolgt: Einstimmig wurde beschlossen, die Bürgermeister-Stollreither-Promenade ab der Isarbrücke in nördlicher Richtung umzubenennen und in südlicher Richtung mit einer Zusatztafel zu ergänzen. Sie soll auf die Verdienste des Tölzer Bürgermeisters (1909 bis 1945) verweisen, der sich um die Modernisierung der Stadt verdient gemacht hat. Sie soll aber auch thematisieren, dass Alfons Stollreither umstritten ist, "weil er den Nationalsozialismus in Wort und Tat förderte".

Der nördliche Teil der bisherigen Stollreither-Promenade wird deshalb ab der Isarbrücke in "Bürgermeister-Holzner-Promenade" umbenannt - durchaus "symbolträchtig", wie Dritter Bürgermeister Christof Botzenhart (CSU) sagte. Denn der Rechtsanwalt Anton Holzner war ein erklärter NS-Gegner und betrieb als Tölzer Bürgermeister in den Jahren 1945 bis 1948 tatkräftig den Wiederaufbau eines demokratischen Gemeinwesens.

Zudem wurde am Dienstag eine bereits im Jahr 2007 in Aussicht gestellte Ehrung des Sozialdemokraten Michael Deschermeier auf Antrag der SPD-Fraktion nun umgesetzt: Künftig trägt der Fußweg am rechten Isarufer entlang beim Busbahnhof den Namen des Gewerkschaftsführers und Vorsitzenden des Bezirksarbeiterrats. Deschermeier, der im Ersten Weltkrieg schwer verwundet wurde, setzte sich von 1918 an für eine soziale und freiheitliche Demokratie ein. Er war Verfolgter des NS-Regimes und im Jahr 1945 Zweiter Bürgermeister in Tölz, bis er im gleichen Jahr starb. Die entsprechenden Beschlussvorschläge waren im Vorfeld von einer Arbeitsgruppe erarbeitet worden, der Christof Botzenhart, Stadtarchivar Sebastian Lindmeyr, Deschermeier-Verwandter Josef Förster, der Autor Christoph Schnitzer und Stadtrat Franz Mayer-Schwendner (Grüne) angehörte. Die Stadtratsmitglieder hatten im Vorfeld der Abstimmung ein umfangreiches Dossier mit Quellenmaterial und eine fundierte Einschätzung der Arbeitsgruppe erhalten. Die gründliche Aufbereitung wurde von allen Fraktionsvorsitzenden als "hervorragende Arbeit" gelobt. Die Ehrungen für Michael Deschermeier und Anton Holzner seien unstrittig, sagte AG-Mitglied Mayer-Schwendner.

Schwieriger liegt der Fall bei Stollreither: einerseits langjähriger Bürgermeister mit Verdiensten um die Stadt. Andererseits Opportunist und Mitläufer, der im Jahr 1933 in die NSDAP eintrat, in Stadtratssitzungen die "wunderbaren und genialen Wege des Führers und Kanzlers Adolf Hitler" pries und willfährig Anordnungen umsetzte. Zu Kriegsende schloss er sich einer Tölzer Widerstandsbewegung an, die die Sprengung der Isarbrücke durch die SS verhindern wollte. Im Februar 1948 wurde Stollreither von der Spruchkammer in die Gruppe der "Minderbelasteten" eingestuft, weil er das Naziregime "durch Wort und Tat gefördert und unterstützt" habe.

In der Arbeitsgruppe sei die Einschätzung deshalb einhellig ausgefallen, sagte Mayer-Schwendner: Die bisher einseitig positive Wahrnehmung Bürgermeister Stollreithers, die im Jahr 1966 in einen Stadtratsbeschluss zur Benennung der "Bürgermeister-Stollreither-Promenade" gemündet war, sei nicht gerechtfertigt. Denn Mitläufer wie Stollreither hätten sich schuldig gemacht und taugten nicht als Vorbilder.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: