Für ukrainische Flüchtlinge:Eine kleine Oase des Friedens

Für ukrainische Flüchtlinge: Im Tölzer Franziskuszentrum findet wieder das Montagscafé für Flüchtlinge statt. Diesmal werden vor allem Frauen und Kinder aus der Ukraine betreut.

Im Tölzer Franziskuszentrum findet wieder das Montagscafé für Flüchtlinge statt. Diesmal werden vor allem Frauen und Kinder aus der Ukraine betreut.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Das BRK-Mehrgenerationenhaus in Bad Tölz hat sein Montagscafé im Franziskuszentrum wieder geöffnet. Diesmal betreuen die Ehrenamtlichen ukrainische Mütter und Kinder. Zum ersten Treffen kommen etwa 25 Geflüchtete.

Von Klaus Schieder

Rechts vor der Eingangstür zum Tölzer Franziskuszentrum hängt eine Fahne. Darauf ist eine Taube zu sehen, die den Erdball auf ihrem Rücken trägt, oben steht das Wort "Frieden", unten "Freiheit" - die zwei Begriffe sind in Blau und Gelb geschrieben. In den beiden Landesfarben der Ukraine flattern auch die Bänder an den Seiten der Flagge im leichten Frühlingswind. Ein Willkommen für die etwa 25 Kriegsflüchtlinge, die zum Montagscafé in das BRK-Mehrgenerationenhaus gekommen sind, um bei Kaffee und Kuchen ein wenig zu plaudern und sich mit Ehrenamtlichen zu treffen. Unter ihnen ist auch Larysa Stadnyk, die mit ihrem achtjährigen Sohn Illia von einer Großfamilie in Lenggries aufgenommen wurde. Die Kardiologin aus Charkiw möchte sich im Franziskuszentrum mit anderen Geflüchteten aus ihrer Heimatland treffen. Aber nicht nur dies. "Ich will auch Kontakt zu den Leuten hier haben", sagt sie.

Das Montagscafé war eigentlich schon geschlossen. Gegründet wurde es vor sieben Jahren, als Flüchtlinge vor allem aus Syrien und Afghanistan nach Bad Tölz kamen. Mit der Zeit lebten sie sich dann ein und brauchten diese Anlaufstelle nicht mehr. Statt der vorwiegend jungen Männer sitzen nun vor allem Frauen und Kinder an den Tischen im Franziskussaal. Drei halbwüchsigen Jungen ist das mit dem Kaffeetrinken zu langweilig, sie haben einen Ball und gehen zum Kicken nach draußen in den Garten. Die kleineren Kinder malen, die Frauen unterhalten sich.

Für ukrainische Flüchtlinge: "Wir sind keine Therapeuten", sagt Rita Knollmann, Leiterin des BRK-Mehrgenerationenhauses im Franziskuszentrum. Rechts: Inge Mair vom Asylhelferkreis.

"Wir sind keine Therapeuten", sagt Rita Knollmann, Leiterin des BRK-Mehrgenerationenhauses im Franziskuszentrum. Rechts: Inge Mair vom Asylhelferkreis.

(Foto: Manfred Neubauer)

Für Rita Knollmann hat sich die Situation im Vergleich zu 2015 nicht wesentlich geändert. "Ich glaube nicht, dass man den Flüchtlingen aus der Ukraine anders umgehen muss", sagt die Leiterin des BRK-Mehrgenerationenhauses. Auf die oftmals traumatisierten Menschen gehe man vorsichtig, aber auch offen zu. Aus den Erfahrungen wüssten die ehrenamtlichen Kräfte, "dass manchmal komische Dinge passieren können". Zum Beispiel sei einmal eine junge Syrerin einfach umgekippt, weil sie einen Trigger bekommen habe. "Da haben wir eben Erste Hilfe geleistet, was anderes kann man nicht machen", sagt Knollmann und stellt klar: "Wir sind keine Therapeuten." Gut 150 Männer und Frauen umfasst der Kreis der freiwilligen Mitarbeitenden im Mehrgenerationenhaus. Sie sind nicht bloß im Montagscafé, sondern in diversen Bereichen wie in der Lernhilfe oder als Familienpaten tätig. Da könne man auch untereinander mal Rücksprache halten, so Knollmann.

Mykola Grychyna sitzt am Rand eines Tisches. Der 62 Jahre alte Ingenieur und Jurist ist aus Kiew geflohen und mit einem Transport nach Deutschland gekommen, nun lebt er alleine bei einer Familie in Geretsried. Ja, sagt er und lächelt, dort fühle er sich wohl. Von seiner Frau lebt er getrennt, seine beiden erwachsenen Söhne durften die Ukraine nicht verlassen. Das Montagscafé suchte er auf, weil er sich nach einem Deutschkurs erkundigen will. Ohne die Sprache zu lernen, sagt Grychyna, "ist es sehr kompliziert". Und natürlich will er im Franziskuszentrum auch andere Leute treffen.

Am kleinen Tresen steht Alke Stange. Sie möchte nicht viel über sich erzählen, das ist ihr fast peinlich. Sie war schon vor sieben Jahren dabei, als die ersten Zusammenkünfte mit Syrern und Afghanen noch im Bürgerhaus stattfanden. Nun könne sie wenig sagen, " das ist ja jetzt der erste Tag, wo wir uns treffen". Ziel sei es jedenfalls, ein wenig Freude in das Leben der Geflüchteten zu bringen. Sie sei keine Psychologin, "es ist auch der falsche Platz, um über Kriegserlebnisse zu reden", sagt Alke Stange. "Wir wollen einfach zwei Stunden Abwechslung bieten."

Für ukrainische Flüchtlinge: "Sie schießen auf Kinder ", sagt Larysa Stadnyk. In ihrer Heimatstadt Charkiw sind auch Kindergärten von den russischen Streitkräften beschossen worden.

"Sie schießen auf Kinder ", sagt Larysa Stadnyk. In ihrer Heimatstadt Charkiw sind auch Kindergärten von den russischen Streitkräften beschossen worden.

(Foto: Aziz Karimov/dpa)

Die schrecklichen Bilder haben die Frauen, die Kinder, die wenigen Männer aus der Ukraine gleichwohl wie unsichtbares Gepäck dabei. Larysa, die Kardiologin, erzählt, wie sie gerade die Nachricht von einer Kollegin bekommen hat, dass das Krankenhaus in Charkiw bombardiert wurde. Dabei gab es einen Schwerverletzten. "Meine Kollegen leben jetzt alle im Krankenhaus, nach Hause kommen sie nicht." Die russischen Streitkräfte zielten auf die Zivilbevölkerung, "sie schießen auf Kinder". Mit verzweifeltem Blick fordert die Ärztin, dass die Nato endlich eine Flugverbotszone über ihrem Heimatland einrichtet. Dann, da ist sie sich sicher, wäre der Krieg vorbei. "Das würde Millionen Leben retten."

Auch für Grychyna sind die Szenen aus dem Krieg noch sehr nahe. Die Raketen, die über sein Haus flogen, das nur zehn Kilometer südlich von Irpin liegt. Die Brotfabrik in der Nähe, die bombardiert wurde - acht Tote. Der Treffer im Luftschutzbunker eines Nachbarhauses. Die Reste einer Rakete, die in den Innenhof fiel und alle Autos zerstörte. "Das war natürlich ein Schock", sagt er. Und dann der Brief der Stadt, sofort alles zu verlassen, damit das ukrainische Militär leichter kämpfen kann.

"Uns gefällt es sehr, mir ist jetzt wohler als früher", sagt Larysa Stadnyk

Solche Schrecken des Krieges wirken an diesem Frühlingstag mit den blühenden Büschen im Garten des Franziskuszentrums fast unwirklich. Und sind doch gegenwärtig. Immerhin geht es Larysa Stadnyk und ihrem achtjährigen Sohn inzwischen besser. Am Anfang sei es schwer gewesen, sagt die Ärztin. Die Menschen, die Sprache, die Kultur - alles ist anders. Hinzu kam die Sorge um ihren Jungen, wie er sich zurecht findet, wie er sich in der Schule integriert. Aber die Familie aus Lenggries, von der sie samt Katze aufgenommen wurden, seien "wunderbare Leute", sagt Larysa Stadnyk. Und wie der Zufall spielt, ist die Mutter der Gastfamilie selbst als Krankenschwester in der kardiologischen Abteilung der Tölzer Stadtklinik angestellt. "Uns gefällt es sehr, mir ist jetzt wohler als früher."

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