Landkreis richtet Erstaufnahme ein:Platz für 150 ukrainische Kriegsflüchtlinge

Landkreis richtet Erstaufnahme ein: Nur die Betten fehlen noch: Die Turnhalle an der Adalbert-Stifter-Straße in Geretsried ist bis Montag als Erstanlaufstelle für Flüchtlinge fertig.

Nur die Betten fehlen noch: Die Turnhalle an der Adalbert-Stifter-Straße in Geretsried ist bis Montag als Erstanlaufstelle für Flüchtlinge fertig.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Geretsried stellt wie im Jahr 2015 die Turnhalle der Mittelschule zur Verfügung. Landrat Niedermaier bittet Bevölkerung um "nachhaltige" Hilfsbereitschaft.

Von Felicitas Amler

Es ist derselbe Ort wie 2015, aber es kommen andere Menschen. In der Turnhalle der Mittelschule Geretsried an der Adalbert-Stifter-Straße hat der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen eine Erstaufnahme für ukrainische Kriegsflüchtlinge eingerichtet. Genau wie vor sieben Jahren hat Landrat Josef Niedermaier (FW) dies am Freitag bei einem Ortstermin mit einem "großen Dankeschön an die Stadt" bekanntgegeben. Allerdings war Niedermaier diesmal per Handy live zugeschaltet, da er gerade erst positiv auf Corona getestet worden war. Eine weitere Parallele: Am Montag werden die ersten 50 bis 60 Geflüchteten erwartet. Die Halle ist bereits mit Teppichboden und Trennwänden ausgestattet; Betten für 150 Menschen werden eigens aus Usedom angeliefert. Die Bewohner auf Zeit werden wie 2015 von einem Caterer versorgt.

Und doch ist einiges anders, wie Karsten Ludwig erklärte, der im Landratsamt das Sachgebiet Asylwesen leitet. Asylsuchende wurden seinerzeit zentral registriert und auf Unterkünfte verteilt, für sie galt die sogenannte Residenzpflicht; das heißt, sie konnten sich nicht eigenständig von A nach B begeben. Ukrainische Kriegsflüchtlinge können per Visum einreisen, das 90 Tage lang gilt, und sich begeben, wohin sie möchten. Schon ohne offizielle Zuweisung über den Freistaat hätten sich bisher 160 Ukrainer beim Landratsamt gemeldet. Bayern rechne mit 50 000 Kriegsflüchtlingen bis Mitte nächster Woche; dann würden dem Landkreis 500 zugeteilt. Es gebe aber auch schon Überlegungen, ob es nicht 100 000 werden könnten, dann müsste Bad Tölz-Wolfratshausen 1100 bis 1200 aufnehmen.

Landrat Niedermaier sagte, die Hilfsbereitschaft der hiesigen Bevölkerung sei überwältigend: "Das macht mich hoffnungsvoll." Er bat aber ausdrücklich um eine "nachhaltige Hilfe", denn die Situation werde "noch schlimmer, als wir es befürchtet haben". Daher sei es nötig, dass nicht alle Ressourcen auf einmal verbraucht werden: "Das darf nicht in vier bis sechs Wochen abebben."

Bürgermeister Michael Müller (CSU) sicherte jede Unterstützung zu. Geretsried sei durch den Krieg und die Nachkriegszeit geprägt, sagte er: "Es gehört fast zur natürlichen DNA der Geretsrieder, dass sie helfen." So hätten sich auch die Schulen und Vereine, welche die Turnhalle sonst nutzen, ohne Weiteres zum Umzug in die benachbarte Halle des Gymnasiums bereit erklärt. Wer dort wie und wann Zugang haben soll, werde gerade erarbeitet. Im Übrigen sei die Koordinierungsstelle Integration aktiv des Trägervereins Jugend- und Sozialarbeit offizielle Anlaufstelle der Stadt für Flüchtlinge und deren Helfer.

Landkreis richtet Erstaufnahme ein: Karsten Ludwig und Theresa Deselaers sind im Landratsamt für die Aufnahme der Flüchtlinge zuständig.

Karsten Ludwig und Theresa Deselaers sind im Landratsamt für die Aufnahme der Flüchtlinge zuständig.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Nach Auskunft von Theresa Deselaers, Leiterin der Abteilung Soziale Angelegenheiten im Landratsamt, werden voraussichtlich am Montag die ersten Busse mit Ukrainern in Geretsried ankommen. Nach einem Corona-Test - und nur, wenn dieser negativ ist - sollen sie sich etwa zwei bis drei Tage in der Turnhalle aufhalten. Sie werden dort registriert und sollen dann auf dezentrale Unterkünfte verteilt werden. Dem Landkreis lägen "ganz viele Wohnungsangebote" vor, sagte Deselaers. Teils handle es sich nur um einzelne Schlafplätze, teils um ganze Wohnungen. Da hauptsächlich Familien und viele Kinder erwartet werden, stellt die Verteilung nach Aussage von Deselaers und Ludwig aber eine ordentliche Herausforderung dar.

Mit Corona ist es ohnehin noch schwieriger geworden, Flüchtlinge aufzunehmen. Die Impfquote liege in der Ukraine bei 30 bis 35 Prozent, sagte Karsten Ludwig. Die Erfahrung aus anderen Landkreisen zeige, dass durchaus mit Covid-infizierten Personen zu rechnen sei. Diese würden zur Quarantäne in Häuser und Wohnungen aus dem Asylbestand gebracht.

Landrat Niedermaier würdigte die Hilfsbereitschaft der Menschen im Landkreis nachdrücklich; vieles sei geradezu herzzerreißend, sagte er. Allerdings bat er darum, jetzt eher Geld als Sachen zu spenden. Von direkten privaten Sachgütertransporten an die polnische, ungarische oder slowakische Grenze riet er dringend ab. Die Strukturen in diesen Ländern seien gut: "Wenn jeder irgendwo hinfährt, ist es extrem schwer zu handeln." Personelle, ehrenamtliche Unterstützung werde ohnehin derzeit hier an Ort und Stelle gebraucht.

Als zweite Turnhalle wird nun die des Gymnasiums Bad Tölz hergerichtet. Warum gerade Geretsried und Bad Tölz gewählt wurden, begründete Karsten Ludwig mit den Erfahrungen aus dem Jahr 2015. Für diese beiden Hallen gebe es eben schon die nötigen Pläne und der Brandschutz sei gesichert. Was die Aufnahme von Flüchtlingen angehe, so Ludwig, sei er aber sicher: "2015 wird noch übertroffen werden."

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