Trotz NS-Vergangenheit des Namenspatrons:Wenzberg bleibt Wenzberg

Nach einem Dreivierteljahr der nicht öffentlichen Recherche legt der Arbeitskreis zur umstrittenen Ickinger Straße seine Ergebnisse vor. Demnach war Paul Wenz nur "nominell" ein Nationalsozialist. Schilder mit Kurztexten sollen künftig alle personenbezogenen Straßennamen erklären.

Von Claudia Koestler

Der Ickinger Wenzberg behält seinen Namen. Die zentrale Ortsstraße, die nach dem Architekten und Nationalsozialisten Paul Wenz und dessen Familie benannt ist, soll eine Hinweistafel erhalten sowie einen QR-Code, über den weitere Informationen mit dem Smartphone abgerufen werden können. Diese Form des Umgangs mit dem umstrittenen Straßennamen beschlossen die Ickinger Gemeinderäte am Montag in einer Sondersitzung und folgten damit der Empfehlung des Arbeitskreises (AK). Die einzige Gegenstimme zur Namensbeibehaltung kam von Verena Reithmann (UBI), die Entscheidung für erläuternde Kurztexte für alle personenbezogenen Straßen trug sie mit.

Nach etwa einem dreiviertel Jahr der Untersuchungen und vier Sitzungen steht für den AK und nun auch für den Gemeinderat fest: Die Familie Wenz sei nach 1933 zwar "gläubig" der Ideologie des NS gefolgt. "Für eine Umbenennung finden sich aber keine juristisch oder historisch haltbaren Argumente", erklärten die Leiter des AKs, die beiden Pöckinger Historiker Marita Krauss und Erich Kasberger.

Die Recherchen bestätigen ihnen zufolge das Urteil der Berufungskammer Oberbayern von 1948: Wenz sei nur nominelles Mitglied der NSDAP gewesen und kein Aktivist. Zu bedenken sei für Krauss und Kasberger zudem, dass die Benennung des Wenzbergs 1956 wohl nicht als persönliche Ehrung von Paul Wenz zu verstehen gewesen sei, sondern als Kombination aus Haus- und Flurname. Somit gibt es ihnen zufolge "gute Gründe, den Namen Wenzberg nicht zu tilgen, sondern ihn kritisch zu beleuchten."

Im Januar 2017 waren durch eine Ausstellung über die Illustratorin Else Wenz-Vietor, Paul Wenz' Ehefrau, die politischen Verstrickungen der Familie bekannt geworden. In einem offenen Brief hatte deshalb der Ickinger Konzertveranstalter Christoph Kessler gefordert, den Wenzberg umzubenennen. Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI) befragte daraufhin die Anwohner, die sich jedoch mehrheitlich gegen eine Umbenennung aussprachen. Doch der öffentliche Druck nahm zu, ehe Ende Februar der Beschluss fiel, einen Arbeitskreis zu gründen, der sich des Themas in einem breiteren Kontext annehmen sollte: nämlich als Aufarbeitung aller Ickinger Straßennamensgeber, die in der NS-Zeit lebten. Im Mai wurde die Leitung des Arbeitskreises an Krauss und Kasberger übertragen. Zusammen mit den Fraktionsrepräsentanten Hans-Peter Stahn (CSU), Peter Schweiger (PWG), Christian Mielich (SPD/Die Grünen), Alfred Vogel (Ickinger Initiative) und Claudia Roederstein (UBI) sammelten und bewerteten sie Unterlagen und legten sie nun dem Rat samt Beschlussempfehlung vor.

Es hätten sich laut Krauss und Kasberger keine Hinweise darauf finden können, dass Paul Wenz oder seine Frau vor oder nach 1933 antisemitische oder rassistische Auffassungen vertraten. Wenz war zwar am 1. Mai 1933 der NSDAP beigetreten, ebenso der SA und der NSV. Seine Ämter als Ortsgruppen-Schulungsleiter, Ortspropagandaleiter habe er aber nie aktiv ausgeübt und sie seien auch nie von der Partei bestätigt worden. Auch die Funktion eines Kriegsvertreters des Landesleiters der Reichskammer der bildenden Künste wurde nie in Berlin bestätigt. Seine Frau war zwar Frauenschaftsleiterin in Icking, doch trat nie als Rednerin auf und wurde auch nicht ausgezeichnet. Ihre Illustrationen seien unpolitisch. Verbrechen gegen die Menschlichkeit liegen nach den Kenntnissen von Kraus und Kasberger nicht vor. "Es ist begründet zu vermuten, dass sich Denunziationen in Icking oder in der Funktion als Landesleiter in den Akten niedergeschlagen hätten", erklärte Krauss. Mögliche Opfer oder ihre Angehörigen hätten ihre Geschichte gegen Wenz vortragen können. "Dies ist offenbar nicht geschehen", sagte Krauss. Zudem scheint bei Wenz und seiner Frau nach 1945 - oder bereits früher - ein Umdenkungsprozess stattgefunden zu haben. So habe Else Wenz-Vietor 1946 an Max Dingler geschrieben: "Woher soll uns Gutes kommen? Haben wir - das Volk - doch selbst alles verschüttet und erstickt unter einer Lawine der Niedertracht."

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