Konzert in Icking:Drei sind Trumpf

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Das „Trio Lyrico“ begeisterte im Ickinger Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium mit ihrem facettenreichen Klang. (Foto: Hartmut Pöstges)

Das „Trio Lyrico“ nimmt das Publikum in Icking mit auf musikalische Zeitreise, von Beethovens Jugendwerk bis zu Weinbergs Nachkriegskomposition.

Von Ulrich Möller-Arnsberg, Icking

Die Besetzung kommt selten vor im Konzertkalender. Die Verantwortlichen der Kammermusikreihe von Klangwelt Klassik wagten es trotzdem. Mit dem Trio Lyrico setzten sie in der Aula des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums ein Streichtrio aufs Programm. Wer die Ankündigung davon liest, denkt vielleicht an Klaviertrio, und fragt sich: Wer sitzt am Flügel? Wer Anhänger oder Anhängerin der beliebten Gattung Streichquartett ist, sucht vergebens nach der zweiten Violine. Der Besuch des Konzerts ließ unter den Zuhörenden aber schnell vergessen, dass da nur drei Streicher auf der Bühne stehen. Denn das Trio Lyrico, 2014 gegründet, wird gefeiert mit ihrem Album und Werken unter anderem von Ernst von Dohnányi, einem Zeitgenossen von Béla Bartók.

Den Auftakt machte das Trio bei ihrem Ickinger Auftritt mit op. 9 Nr. 3 von Ludwig van Beethoven. Musik, die der Klassiker als noch nicht 30-Jähriger schrieb, bevor er sich an die Komposition seiner frühen Streichquartette op. 18 wagte. Dass das c-Moll-Werk eine Schlüsselposition im Schaffen des jungen Beethoven einnimmt, war in der Interpretation der Geigerin Franziska Pietsch sowie ihrer Kollegen Atilla Aldemir (Viola) und Hila Karni (Violoncello) auf faszinierende Weise zu spüren. Bei diesem letzten Beethovenschen Streichtrio-Werk geht es um die Illusion von eigentlich schon vier Stimmen. Wofür Atilla Aldemir bravourös viele Doppelgriffpassagen zu bewältigen hat, um den klanglichen Eindruck zu vermitteln, es gäbe in der Mittellage Bratsche und zweite Geige nebeneinander. Aldemirs voller, runder, vor Spiellaune sprühender Ton ist ein musikalischer Trumpf, den das Trio Lyrico auszeichnet.

Ganz anders geht Violinistin Franziska Pietsch ans Werk. Ihre große Stärke ist eine enorme dynamische Bandbreite. Energisch greift sie im Forte in die Saiten, im Piano trägt ihr Ton bis hinten im Saal an der Grenze zur Tonlosigkeit. Hila Karni komplettiert das Zusammenspiel mit einem beweglichen, stets präsenten Cellopart. Drei Musiker waren da im Konzert zu erleben, die von ihrer solistischen Persönlichkeit unterschiedlicher nicht sein könnten, die aber trotzdem tadellos zu einem gemeinsamen, sehr eigenen Kammermusikklang zusammenfinden. Mit Raum für spontanes, lebendiges Musizieren. Das war etwa in der zweiten Komposition des Abends zu spüren. Das Streichtrio des Komponisten Mieczyslaw Weinberg gab dafür die Basis. Einem größeren Publikum ist der 1919 geborene Pole in den vergangenen Jahren bekannt geworden durch die Aufführung seiner Oper „Die Passagierin“.

Sein Streichtrio schrieb Weinberg 1950 in Moskau, wohin er nach Flucht aus Warschau und Minsk durch die Unterstützung des Kollegen Schostakowitsch gelangt war. Ein Leben, dessen Tragik sich in der Bandbreite von fast tonloser, verschatteter Klanglichkeit widerspiegelt, die andererseits immer wieder durch sprühende musikalische Impulse kontrastiert wird.

Genau das richtige Werk für die Geigerin Franziska Pietsch. In Halle als Tochter eines Orchestermusikers geboren, der nach einer Tournee die DDR hinter sich ließ, um im Westen zu bleiben, hatte die 54-Jährige als junge talentierte Musikerin eine jähe Unterbrechung ihrer Karriere zu verkraften, die erst nach Übersiedlung in den Westen im Jahr 1984 wieder vollends aufblühen konnte.

Was an strahlendem Temperament und persönlicher Kraft in ihr steckt, konnte Pietsch nach der Pause in der C-Dur-Serenade von Ernst von Dohnányi zeigen. Gerade in dieser vollblütigen, launischen Musik ließ das Trio Lyrico vollkommen vergessen, dass es drei, nicht wie in einem Streichquartett vier Musiker sind, die auf der Bühne stehen. Auch im Publikum war die Begeisterung nach den dunkel gebeizten Werken vor der Pause merklich gestiegen, Nachdenklichkeit einer puren Konzertfreude gewichen. Nach nicht endendem Applaus gab es noch das eingängige „Yo soy Maria“ aus der Piazzolla-Oper „Maria de Buenos Aires“ in einem packenden Arrangement für Streichtrio von Ohad Cohen.

Nächste Konzerte in Icking: 10. Ickinger Frühling am 3. und 4. Mai; weitere Informationen unter www.klangwelt-klassik.de

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