Traditionswirtschaft:Gammelfleisch im Kühlregal

Das Gericht stellt das Verfahren gegen einen Gastwirt wegen Hygienemängeln ein - ein früheres Urteil wird rechtskräftig

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Jahrelang haben sich die Hygienemängel in einer Traditionsgaststätte aus dem Landkreis gehäuft. Nur neun Tage vor der jüngsten Verurteilung im August 2017 wurden die Lebensmittelkontrolleure erneut fündig. Im Kühlraum stießen sie auf elf Kilogramm verdorbenes Rehgulasch, vergorene Ananasstücke, schimmelige Rote Beete und gammeligen Fisch. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hatte auf ausgenommenen Forellen, Saiblingen, Renken und Makrelen Enterobakterien festgestellt. Die Lebensmittel rochen teils streng vergoren. Alle Proben waren für den Verzehr ungeeignet, aber nicht gesundheitsschädlich.

Nach nur wenigen Minuten war allerdings die Verhandlung am Wolfratshauser Amtsgericht am Montag beendet. Richter Helmut Berger sah davon ab, die neuesten Vergehen gegen das Lebens- und Futtermittelgesetzbuch zu verfolgen. Dafür zogen der Staatsanwalt und der Verteidiger des Gastwirts ihre Berufung gegen das Urteil von August zurück. Damit ist die damals verhängte Bewährungsstrafe von einem Jahr rechtskräftig. Auslöser für den Prozess waren fast sechs Kilo verschimmeltes Gamsgulasch, ungenießbaren Mais und verbrannte Orangen-Cremé-brûlée.

Im Fokus der Lebensmittelkontrolleure aus dem Tölzer Landratsamt stand der Angeklagte schon seit Jahren. 15 Mal hatten die Mitarbeiter das Wirtshaus vor August 2017 überprüft.

Mehrere Bußgeldbescheide und Strafanzeigen wurden gestellt. Ein weiteres Strafverfahren ist inzwischen rechtskräftig. Das Landgericht München II hat den Mann zu einer Geldstrafe verurteilt.

Die Küche des Traditionswirtshauses war sogar schon einmal für ein paar Tage wegen Mäusebefall gesperrt worden. In der Verhandlung im August 2017 hatte ein Lebensmittelkontrolleur geschildert, dass überall Kot gewesen sei. Genauso hatte er vom Wunsch des Angeklagten berichtet, dass Mitarbeiter der Lebensmittelbehörde die Räume gegen Bezahlung regelmäßig überprüften. Doch das könne die Kontrolle nicht leisten. Der Lebensmittelüberwacher hatte den Angeklagten als sehr wortkarg und schwer einschätzbar charakterisiert. Ein Konzept des Gastwirts habe er im Betrieb nicht erkennen können.

Aus Datenschutzgründen weigert sich das Tölzer Landratsamt Aussagen zum konkreten Fall zu machen. Laut der Pressestelle benötigt aber jeder, der eine Gaststätte gewerblich betreiben will, eine Konzession. Die Landratsämter seien dafür zuständig, die Bewilligung zu erteilen oder zu entziehen.

Mit Hilfe eines Führungszeugnisses und des Gewerbezentralregisterauszugs prüfe die Behörde die Zuverlässigkeit des Bewerbers. Zudem müsse der Betreiber einer Schank- und Speisewirtschaft lebensmittelrechtliche Kenntnisse vorweisen. Die bescheinige die Industrie- und Handelskammer nach dem Besuch eines sechsstündigen Unterrichtsblocks. "Die Konzession kann ein Gastwirt verlieren, wenn es erhebliche hygienische Mängel und wiederholt Verstöße gegen das Lebensmittelrecht gibt", teilt die Pressestelle im Tölzer Landratsamt mit.

Inzwischen hat der Gastwirt laut seinem Verteidiger die Leitung des Betriebs abgegeben. Seit Februar dieses Jahres sei sein Mandant nur noch angestellter Koch unter neuer Leitung, erklärt der Verteidiger auf Nachfrage. "Ich habe meinen Mandanten aus der Schusslinie nehmen wollen", sagt er. Ansonsten hätte womöglich sogar eine Haftstrafe gedroht. Die hatte der Staatsanwalt in der Verhandlung am Wolfratshauser Amtsgericht vor sechs Monaten sogar gefordert. Ein Jahr und drei Monate Gefängnis hatte er damals beantragt. Noch im August 2017 hatte Amtsrichter Berger dem Angeklagten dringend empfohlen, sich eine andere Tätigkeit zu suchen. Jetzt hoffte er, dass der Mann künftig nicht mehr auffällig werde. "Das war es jetzt aber", mahnte er.

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