Süddeutsche Zeitung

Tourismus im Oberland:"All inclusive" statt Königscard

Lenggries setzt weiter auf eine eigene Gästekarte - und wertet diese mit Angeboten auf

Von Petra Schneider, Lenggries

Die Brauneckgemeinde Lenggries geht beim Tourismus eigene Wege. Im März hatte sich der Gemeinderat einstimmig gegen die Teilnahme an der landkreisweiten "Königscard" ausgesprochen. Denn Lenggries hat als Vorreiter im Landkreis bereits 2012 eine eigene "Gästekarte plus" eingeführt, die Urlaubern kostenlose oder ermäßigte Eintritte bei Freizeiteinrichtungen im Ort ermöglicht, wenn sie ihren Aufenthalt bei Plus-Gastgebern verbringen. Pro Übernachtung wird eine Umlage von 2,50 Euro in einen Topf einbezahlt, aus dem die Leistungspartner, etwa Brauneck-Bergbahn, Sommerrodelbahn, Isarwelle oder Hochseilgarten, bezahlt werden. Sie erhalten eine Vergütung von etwa 70 Prozent, verzeichnen dafür aber oft eine höhere Auslastung.

Bürgermeister Werner Weindl (CSU) zog eine positive Bilanz zum "sechseinhalbjährigen Schnapsjubiläum": Die Gästekarte Plus sei ein "Alleinstellungsmerkmal" und verbessere die Wettbewerbssituation der Gemeinde. Auch einige Neuerungen wurden beim Pressetermin bekannt gegeben: So gibt es seit 1. Juni zusätzliche Leistungen mit Schwerpunkt "Schlechtwetterprogramm", wie Tourismus-Chefin Ursula Dinter-Adolf sagte. Künftig sind ein freier Eintritt im Franz Mark Museum in Kochel sowie im Campendonk-Museum und im Bergwerksmuseum in Penzberg inkludiert. Auch ein E-Bike-Gutschein ist neu im Angebot. Zudem werden ab November die RVO-Leistungen ausgeweitet - und zwar für alle Lenggrieser Gäste, nicht nur für diejenigen mit Plus-Karte. Künftig können Urlauber kostenlos im gesamten RVO-Netz Bus fahren, also in einem Bereich zwischen Füssen, Landsberg, Holzkirchen, Tegernsee und Schliersee. Bisher waren nur die Fahrten nach Bad Tölz und in die Jachenau frei.

Finanziert wird der kostenlose ÖPNV über den Kurbeitrag, den jeder Gast zahlen muss. Damit werde nicht nur der Individualverkehr eingeschränkt, unter dem die Region ächzt, sondern auch einer generellen Entwicklung Rechnung getragen, sagte Dinter-Adolf. Denn immer mehr junge Leute vor allem aus Ballungsräumen hätten kein eigenes Auto. "Sie sind froh, wenn sie mit dem Bus trotzdem mobil sein können." Den Erfolg der Gästekarte Plus machte die Tourismuschefin an einigen Zahlen deutlich: So sei die Zahl der teilnehmenden Gastgeber von 45 auf 62 gestiegen. Auch mehr Leistungen sind enthalten: Statt ursprünglich 22 Partner machen nun 30 mit. "Gäste suchen bei der Buchung gezielt nach Plus-Gastgebern", sagte Dinter-Adolf. Knapp die Hälfte aller Übernachtungen seien im vergangenen Jahr bei teilnehmenden Beherbergungsbetrieben gebucht worden. Vor allem Familien, die zu den wichtigsten Zielgruppen der Brauneckgemeinde gehörten, profitierten vom "All inclusive" Angebot. "Die wichtigsten Freizeitangebote sind im Übernachtungspreis mit dabei", betonte Wolfgang Brückl vom Dienstleistungsunternehmen Bayerwald Media, das das Projekt für die Gemeinde umgesetzt hat. Der Urlaub werde so wetterunabhängiger; denn eine Fahrt mit der Bergbahn werde selbst bei Regen unternommen, wenn sie kostenlos sei. Davon profitiere nicht nur die Brauneck-Bergbahn, wie Geschäftsführer Peter Lorenz sagte, sondern auch die Hütten und das Panoramarestaurant. Anfangs sei er skeptisch gewesen, sagte Lorenz. Aber die Plus-Karte funktioniere gut. 12 000 Erwachsene und 3000 Kinder seien im vorigen Jahr mit der Gästekarte Plus aufs Brauneck gefahren. Auch kulturelle Angebote würden stärker genutzt, sagte Brückl. So hätten sich die Besucherzahlen im Lenggrieser Heimatmuseum seit Einführung der Plus-Karte verdreifacht.

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Quelle:
SZ vom 04.06.2019
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