Tölzer Ratssitzungen:Als wären sie gegen Corona immun

Kommentar von Klaus Schieder

Das Kurhaus ist für Sitzungen des Tölzer Stadtrats in Corona-Zeiten ein ungeeigneter Schauplatz. Die Akustik für Präsentationen und Reden in dem ehrwürdigen Bau ist eher schwach, die Mikrofonanlage funktioniert oft nach dem Zufallsprinzip, und wenn im Winter jede halbe Stunde gelüftet werden muss, erreicht die Innentemperatur rasch arktische Grade. Aber das kann kein Grund dafür sein, weiterhin im Sitzungssaal des Rathauses in voller Besetzung zu tagen, mit 40 bis 50 Leuten, die sich am Eingang und zwischen zusätzlich aufgestellten Tischen drängen. Maskenpflicht hin, moderne Lüftung her - die Infektionsgefahr ist damit keineswegs gebannt. Der Vorschlag aus dem Rathaus, den Stadtrat vorerst auf 15 Mitglieder zu reduzieren, war deshalb vernünftig. Die Ablehnung durch das Gremium ist nahezu unverantwortlich.

Schon im November vorigen Jahres, als die Fallzahlen explodierten, saßen etliche Tölzer Räte in den Fachausschüssen fast die ganze Zeit ohne Mundschutz da. Nun soll das Ansteckungsrisiko durch bündige Reden und eine kurze Sitzungsdauer minimiert werden. Bald stehen jedoch die Beratungen zum Haushalt 2021 an, der den Mandatsträgern wegen der zu erwartenden Einbußen durch Corona weitaus heiklere Entscheidungen als in vielen Jahren zuvor abverlangt. Die Vorgabe der knappen Rede dürfte sich spätestens dann als Fantasiegespinst erweisen.

Die Ratssitzung am Dienstagabend war nach gut 50 Minuten vorbei. Allerdings standen auch nur drei unstrittige Tagesordnungspunkte auf dem Programm. Da ist leicht hochzurechnen, wie viel Zeit die Präsentation und die Debatten über den künftigen Haushalt in Anspruch nehmen werden. Sollte eine Stadtratssitzung - zumal vor dem Hintergrund der infektiöseren Mutationen - zu einem Superspreader-Ereignis werden, wird es für Wir-dachten-halt-Erklärungen zu spät sein. Eine Randbemerkung: Auch in Bad Tölz gibt es Turnhallen; solche Schauplätze für Ratstreffen funktionieren in anderem Kreiskommunen bislang gut.

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