Tölzer Prügel:Zweischneidige Tradition

Beim Söder-Besuch in Thanning werden alle Besucher strengstens gefilzt, aber Trachtler mit Stilettl in der Lederhose dürfen unkontrolliert rein? Das kann's ja wohl nicht sein.

Kolumne Von Claudia Koestler

Da steht man nun, eigentlich als Beobachter am Rande, und ist doch plötzlich mittendrin. Und zwar in einer Diskussion um Waffengesetze, Kultur, Freiheitsrechte und ja, auch um Toleranz und Gleichstellung. Was war passiert? In Thanning feiert das ganze Dorf 1250 Jahre seit der ersten Erwähnung, und in der vergangenen Woche, der Festwoche von Burschenverein, Feuerwehr und Gebirgstrachtenerhaltungsverein, durfte ein politischer Abend nicht fehlen. Die Eglinger CSU hatte deshalb ihre Beziehungen spielen lassen und den Ministerpräsidenten ins Thanninger Festzelt gelockt. Wer die Politik nicht nur aus dem Fernseher kennt, weiß, dass es bei solchen Auftritten immer auch um die Sicherheitsfrage geht. Und so nahm es nicht wunder, dass es auch an jenem politischen Abend strenge Sicherheitsvorkehrungen gab.

Natürlich ließ jeder die Kontrollen am Eingang zum Festzelt geduldig über sich ergehen. Und doch trat genau hier ein gesellschaftlicher Antagonismus, ein Widerspruch und Bruch ganz öffentlich zu Tage: Während der Sicherheitsdienst die Taschen der Frauen filzte und Besucher in Alltagskleidung fragte, ob sie ein Pfefferspray oder gar ein Messer mit sich führten, wanderten Männer in der Hirschledernen einfach durch. Und zwar oft genug mitsamt dem "Stilettl", also dem Messer mit dem Hirschhorngriff sichtbar in der Lederhosentasche. Darauf angesprochen zuckte der Sicherheitsbeamte nur mit der Schulter. Das gehöre zur Tracht, sei also Tradition und somit erlaubt.

Um es klarzustellen, es geht hier nicht um ein allgemeines Verbot für solche Stilettl, im Gegenteil. Alles über einen Kamm zu scheren, kriminalisiert nur unbescholtene Bürger und stellt einen Eingriff in die Freiheitsrechte dar. Es mag durchaus Gründe geben, hie und da ein Messer mit sich zu führen, sei es als Werkzeug oder eben zur Brauchtumspflege. Aber auf einer Großveranstaltung, noch dazu einer politischen, wäre es nicht nur für die Sicherheit sinnvoll, sie doch zu Hause zu lassen. Zwar machen Kleider Leute, aber eben keine Absichten, und schließlich ist niemand immun, nur weil die Waffe auch für's Brotzeitbrettl taugt. Es wäre zudem ein Zeichen gegen Diskriminierung, und eines für echte Liberalitas Bavariae. Denn ob nun in Tracht oder nicht, der Mensch darunter zählt. Für die Männer in der Hirschledernen wäre es ein kleiner Griff, für Frauen und Menschen in anderer Kleidung sogar ein Schritt hin zur Gleichbehandlung.

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