Tölzer Prügel:Zum narrisch werden

Die fünfte Jahreszeit sollte eine vergnügliche Angelegenheit sein. Doch wie ein Wolfratshauer Streit belegt, ist sie für die Faschingsvereine eine äußerst ernste Sache

Von Konstantin Kaip

Es gibt ja zahlreiche Rheinländer, die behaupten, dass es in Bayern keine wirkliche Karnevalskultur gibt. Einerseits haben sie natürlich recht, schließlich spricht man hier von Fasching. Dass der aber von zahlreichen Personen mindestens ebenso ernst genommen wird wie in Köln, zeigt eine erkleckliche Anzahl an Faschingsvereinen mit narrenbekappten Präsidenten, Garden und jährlich neu proklamierten Prinzenpaaren in der Region. Selbst in Wolfratshausen gibt es einen: die Narreninsel. Auf den derzeit überall in der Stadt aufgestellten Plakaten zur größten städtischen Faschingssause "Wolfratshausen narrisch", die am Sonntag, 23. Februar, mitten auf dem Marienplatz stattfindet, ist das allerdings nicht ersichtlich. Auf dem Programm für die große Showbühne stehen die Geretsrieder Urzeln, die Crachia Hausham und die Faschingsgesellschaften aus Neubeuern, Oberschleißheim und dem Mangfalltal. Den örtlichen Verein sucht man vergebens. Ganz schön narrisch das Ganze. In den sozialen Medien gab es folgerichtig einen Sturm der Entrüstung. Viele Wolfratshauser äußerten ihr Unverständnis, darunter auch Franz Hübler, der Präsident der Narreninsel.

Nun ist es so, dass die Stadt zwar offizieller Veranstalter ist. Organisiert wird "Wolfratshausen narrisch" jedoch von Peter Steinberger. Der Münsinger, der 33 Jahre lang bei der Wolfratshauser Stadtverwaltung war und vor langer Zeit auch im Vorstand der Narreninsel, ist als Präsident des Landesverbands Oberbayern im Bund Deutscher Karneval bestens vernetzt, was Faschingsgesellschaften angeht. Steinberger sagt, er habe die Narreninsel sehr wohl angefragt, ob sie in Wolfratshausen auftreten wolle, und zwar dreimal schriftlich, zusammen mit allen 87 im Landesverband organisierten Gesellschaften. Oberinsulaner Hübler räumt ein, dass er "vielleicht etwas überlesen oder übersehen" hat. "Ich weiß nicht mehr, was los war", sagt er. "In diesem Jahr ist es einfach schlecht gelaufen." Im Übrigen aber sei es ja gar keine Frage, ob der Heimatverein beim offiziellen Stadtfasching auftrete. "Wir sollten gesetzt sein." Das wiederum will Steinberger so nicht stehen lassen. Er wisse schließlich nicht, wann die Wolfratshauser Narren Zeit hätten. "Dann setze ich ihn um 15 Uhr drauf", sagt er über Hübler, "und er sagt: Da kann ich nicht."

Aber keine Angst: Der Wolfratshauser Faschingssonntag läuft nun doch nicht gänzlich mit Fremdnarren ab. Denn auf Intervention von Bürgermeister Klaus Heilinglechner haben Hübler und Steinberger vereinbart, dass um 13. 45 Uhr das Kinderprinzenpaar und die Kindergarde der Narreninsel auf der Bühne am Marienplatz stehen werden. Ein Auftritt der erwachsenen Insulaner ist nicht drin. Hübler sagt, dass Steinberger sonst zu viel Programm der anderen Gäste hätte verschieben müssen. Steinberger sagt, dass Hübler erklärt habe, sein Verein habe dafür keine Zeit mehr. "Irgendwie funktioniert die Kommunikation zwischen Herrn Steinberger und Herrn Hübler nicht", sagt der Bürgermeister.

Nun könnte man natürlich fragen, warum keiner von beiden zum Telefon gegriffen und den anderen angerufen hat. Steinberger hätte sich ja schnell erkundigen können, warum noch keine Rückmeldung von den Lokalmatadoren kam. Und Hübler hätte kurz nachfragen können, wie es mit dem Narrenspektakel 2020 auf dem Marienplatz aussieht, bei dem man unbedingt dabei sein wolle. Für so einen lockeren Austausch aber ist der Fasching vermutlich eine zu ernste Sache.

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