Tölzer Prügel:Vorsicht mit dem Vorschuss

Die Lenggrieser haben ihrem neuen Bürgermeister einen großen Vertrauensvorschuss gegeben. Ein Wahlkampf fand nach dem plötzlichen Tod des Amtsinhabers nicht statt. Nun muss der Neue ein echtes Profil entwickeln

Kommentar von Claudia Koestler

Die Lenggrieser haben ihre Kreuzchen gemacht. Aber hatten sie wirklich eine echte Wahl? Nein. Der künftige Bürgermeister hat stattdessen einen Vertrauensvorschuss erhalten. Für alles andere hätten die Bewohner der Brauneckgemeinde weit informierter sein müssen. Politik ist schließlich die Kunst, Machbares und Sinnvolles zu vereinen und damit den Bürgerwillen umzusetzen. Der politische Alltag verlangt Analysefähigkeit, Toleranz, Kommunikation und Kompromissfähigkeit in schwierigen Entscheidungsprozessen. Doch welcher Kandidat diese Eigenschaften mitbringt, ließ sich kaum herausfinden in einem Wahlkampf, der nicht stattfand.

Jetzt gab es dafür natürlich einen guten Grund, nämlich der plötzliche Tod des vorherigen Amtsinhabers. In dem Schock und in der Trauer, in der sich die Gemeinde noch immer befindet, wäre ein Hauen und Stechen um seine Nachfolge wirklich mehr als unpassend gewesen. Doch es hätte eben andere Formen gebraucht, in denen sich die Kandidaten zeigen, profilieren, ja, auch abgrenzen hätten können. Das wäre ein erster Beleg für kreative Lösungen gewesen. So aber blieb es durch die Bank bei eher allgemeingültigen, erwartbaren Phrasen. Aus dem sehr großen Vertrauensvorschuss muss nun dringend ein echtes Profil und echte Politik erwachsen, bei der der Bürgerwille als Leitlinie fungiert. Alles andere wäre eine nicht kittbare Enttäuschung.

© SZ vom 14.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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