Tölzer Prügel:Na dann Prost Mahlzeit!

Der Brückenwirt in Wolfratshausen war einst so etwas wie eine Zufluchtsstätte. Seit geraumer Zeit aber steht das Lokal an der Loisach leer. Die Brauerei, der es gehört, scheint das nicht besonders zu stören

Kolumne von Florian Zick

Neulich nach der Europawahl. Es war ein langer, ein spannender Abend. Da wäre am Ende natürlich so ein kleiner Absacker recht gewesen. Aber am Sonntag um halb elf in Wolfratshausen? Da muss man erst mal überlegen. Im Gasthaus an der Loisach, in das man sonst gerne geht, wird gerade "aufgestuhlt", wie es im Gastro-Sprech so schön heißt. Da ist also nichts mehr zu holen. Und wenige Gehminuten flussaufwärts, im Brückenwirt: Tja, da herrscht jetzt auch schon länger Flaute.

Der Brückenwirt war immer so etwas wie eine letzte Zufluchtsstätte. Bis um drei Uhr nachts hatte der zwar auch nicht auf, es ist ja keine Boazn, keine klassische Kneipe - eher ein Wirtshaus. Aber um halb elf, da hätte man dort schon noch verlässlich eine Halbe bekommen - und wenn's gewünscht gewesen wäre danach auch noch einen Schnaps.

Seit Anfang April hat der Brückenwirt nun schon zu. Auf der Menütafel am Eingang sind noch verschwommen die Abschiedsworte von Wirt Sebastian Blatt zu erkennen. Er habe Nachwuchs bekommen, steht da zu lesen. Das neue Dasein als Papa vertrage sich nicht mit dem Wirte-Job. Milchfläschchen statt Bierpulle - man versteht's.

Was man dagegen nicht so richtig versteht, ist, warum die Spaten-Löwenbräu GmbH so lange braucht, für den Brückenwirt einen neuen Pächter zu finden. Brauereien gelten mithin doch als sehr geschäftstüchtig. Der Brückenwirt ist zudem keine schlechte Adresse. Altstadt, direkt an der Loisach, Blick aufs Wasser - da lässt sich was draus machen. Und Ex-Wirt Sebastian Blatt wird sicher auch nicht von heute auf morgen von seiner neuen Vaterrolle erfahren haben. Dass das Wirtshaus nun schon so lange vor sich hin dümpelt, ohne dass dort Zeche gemacht wird - wenn das den Brauereien inzwischen egal ist: Na dann Prost Mahlzeit!

Nun hängen seit ein paar Tagen in den Fenstern wenigstens Schilder. Hoffentlich findet sich auf diesem Weg bald ein neuer Pächter. Denn mit einem verwaisten Wirtshaus an so prominenter Stelle gibt Wolfratshausen kein gutes Bild ab. Und ein Wirtshaus ist letztlich ja auch nur ein Wirtshaus, wenn dort Leben herrscht und die Maßkrüge aneinander klingen.

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