Tölzer Prügel:Moralische Fallstricke

Kolumne von Claudia Koestler

Was für ein explosiver Abend, jene Podiumsdiskussion am vergangenen Donnerstag, als im Tölzer Jugendcafé Klimaaktivisten und Politiker aufeinander trafen. Eigentlich, so der ursprüngliche Ansatz, sollte miteinander diskutiert werden. Darüber, ob die Welt noch zu retten ist, und natürlich darüber, wie. Doch genau hier schnappte eine gefährliche Falle zu: Statt miteinander ins Gespräch zu kommen und gemeinsam die besten und interessantesten Lösungsansätze zu eruieren, verhärteten sich die Fronten. Während die Redebeiträge der einen Seite immer mehr in Vorwürfen mündeten, konterte die andere Seite mit Gegenangriffen. Und irgendwann waren die eigentlichen Themen nur noch Wut, Hilflosigkeit und Doppelmoral.

Das Fatale an der Sache: Die Klimaaktivisten haben Recht. Zu lange ist auf sämtlichen Entscheidungsebenen nicht genug gegengesteuert worden, sind mahnende Stimmen abgetan worden, in einer Mischung aus Hybris, unreflektierter Wirtschaftsgläubigkeit, Gewinnmaximierung als oberstem Ziel und ja, vielleicht auch einem Mangel an wirklich breit gefächertem Denken, das langfristige Konsequenzen inkludiert.

Das Fatale an der Sache aber auch: Die Politiker haben Recht. Ganz so einfach ist die Weltrettung nicht, wir alle sind Teil des Problems. Und es gilt, einen Rebound-Effekt zu vermeiden: dass eine an sich positive Änderung in der Summe negative Folgen hat. Viele Jugendliche aber wollen nicht länger Bedenkenträgerei hören, sondern konkrete Handlungen sehen. Kurzum, den klaren Willen, den gordischen Knoten zu lösen. Und nur diese Verve erhält die nötige Aufmerksamkeit, die es in der heutigen Zeit eben braucht.

Eines aber müssen auch die jungen Klimaaktivisten erkennen und bedenken, wenn sie denn nicht eine Fußnote in der dann nur noch kurzen Geschichte der Menschheit bleiben wollen. Mit Vorwürfen und Wut ist selten langfristig etwas Gutes bewegt worden. Die Frustration mag nachvollziehbar sein. Aber um wirklich die Wende zu schaffen, müssen alle an Bord. Nur durch eine Art der positiven Umpolung lässt sich flächendeckend und damit wirklich wirksam etwas ändern.

Und dazu braucht es jeden. Statt Verbote oder Steuern zu fordern, muss ein Ruck durch alle gehen, das Richtige tun zu wollen, jeder nach seinen Möglichkeiten und jeden Tag ein bisschen mehr. Die Wirtschaft muss erkennen, dass in Ökologie und der Suche nach alternativen Energieformen der Markt der Zukunft liegt. Ebenso gilt dies für die Universitäten und die Forschung. Dann folgen Politiker von ganz alleine, die ihrerseits die Hebel bewegen. Und der Druck von unten muss bleiben. Aber bleibt dort alleine die Wut, tappt die Bewegung in eine moralische Falle.

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