Tölzer Prügel:Flächendeckende 1 G-Regelung, bitte

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Man muss sich schon wundern, wofür die Behörden in diesen Zeiten alles Zeit haben...

Von Claudia Koestler

Schon wieder möchte man einfach mal seufzen: Was waren das noch für Zeiten, als man gemeinhin eher an ein Shakespeare-Zitat dachte, wenn irgendetwas nicht stimmte. "Es ist etwas faul im Staate Dänemark", sagt Hamlets Freund Marcellus mit düsterer Vorahnung, als der dänische Prinz dem Geist seines Vaters begegnet. Inzwischen ist weltweit vieles faul, und das nicht mehr nur auf den Bühnen dieser Welt, sondern im realen Leben. Neben diesem schrecklichen Virus, das viele auch zwei Jahre später immer noch unterschätzen, grassieren weitere Übel. Darunter der Mensch und seine Vorschriften, hinter denen es sich doch ganz prima verschanzen lässt. Wer Beispiele sucht, muss gar nicht erst weit gucken. Auch im Landratsamt grassiert offenbar in manchen Abteilungen eine gewisse Überbeflissenheit, hübsch gedeckt von Paragrafen und Vorschriften, so dass man das Selberdenken praktischerweise sein lassen kann.

Worum es genau geht? Das Landratsamt macht Jagd auf Lebensmittelsünder. Das ist auch gut so, schließlich will keiner Mäuseköttel auf der Breze oder Schimmel im Hirschgulasch, was übrigens alles schon mal in der Region vorgekommen ist. Und keiner will fiese, möglicherweise gar gesundheitsschädigende Zusätze in seinen Lebensmitteln, schon gar nicht, wenn es sich um Bioware handelt. Die Betonung aber sollte auf fiese Zusätze liegen - und das ist nun im konkreten Fall eben nicht der Fall: Die Bio-Metzgerei Packlhof verzichtet bei der Herstellung von Lyoner und Leberkäs auf den Zusatz von umstrittenem Nitritpökelsalz und verwendet stattdessen Rote-Bete-Pulver, Saft und -Konzentrat. Gemüse in der Wurst, na bitte, wenn sich damit andere Schweinereien vermeiden lassen und es deklariert ist.

Aber nein, die Behörde steigt dem Metzgereibetrieb auf die Füße, will das verbieten und lässt nicht ruhen, bis die Sache in dieser Woche vor Gericht landete. Solcherlei Energie wäre anderweitig besser eingesetzt. Wenn also Hirn eher in der Wurst landen darf als es zum Denken benutzt wird, ist die Zeit überfällig für eine flächendeckende 1 G-Regelung: gesunder Menschenverstand.

© SZ vom 22.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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