Tölzer Prügel:Ein Hoch auf die haarigen Pfuideifis

Ja, die 1980er haben wahrscheinlich für alle Ewigkeit die Haarkultur geprägt, doch auch heutzutage sagen Frisuren viel aus. Eine zerzauste Struwwelpeter-Frisur bedeutet dabei vor allem eins: Solidarität

Glosse Von Florian Zick

Vokuhila, Mantamatte, Nackenspoiler - es sind vor allem die 1980er Jahre, die sich frisurentechnisch für alle Ewigkeit in die Begriffswelt der Haarkultur eingeprägt haben. Und auch, wenn diese oft veräppelten Modeerscheinungen sogar bei den sogenannten Promis immer wieder ein Revival erlebt haben: Selbst durch die coronabedingt weitgehend verwaisten Straßen möchten viele Leute momentan offenbar lieber nicht mit einem komplett verhauten Haupthaar wandeln. Die Inhaber der eigentlich geschlossenen Frisierstuben bekommen im Lockdown jedenfalls allerlei unmoralische Angebote.

"Tausche Playstation 3 gegen Friseurtermin", so oder so ähnlich war Mitte Dezember in den sozialen Netzwerken im Internet zu lesen. Nun entspricht eine Playstation dieser Generation natürlich nicht mehr dem neuesten Stand der Technik; und wahrscheinlich war die Anzeige auch nicht ganz ernst gemeint. Aber Weihnachten als großes Familienfest, dann der Jahreswechsel - da war die Dringlichkeit für einen akkuraten Haarschnitt noch halbwegs nachvollziehbar. Und vor allem: Da war das Haareschneiden auch noch legal. Inzwischen aber sind die Friseursalons in den staatlich verordneten Zwangsferien. Der Griff zur Schere oder zum Lockenwickler ist damit mithin: schlichtweg Schwarzarbeit.

Die Tölzer Friseurmeisterin Martina Lederer hat vergangene Woche in einem SZ-Interview dargelegt, wie man sie in blickdichte Keller oder abgedunkelte Wohnzimmer bitten will, um sich hinter zugezogenen Gardinen den Ansatz nachfärben zu lassen. Dabei wäre es in der derzeitigen Lage doch ein Zeichen der Solidarität, wenn man sich in der Öffentlichkeit als zerzauster Struwwelpeter zeigt, als "langhaarerter Pfuideifi", wie man auf Bairisch sagen würde. Das Signal wäre: Schauts her, ich hab' momentan auch nur die allernötigsten Kontakte, ich treffe auch nur die Supermarktkassiererin und vielleicht noch meinen Apotheker. Das wäre der richtige Fahrplan durch diese nicht nur auf dem Kopf recht haarige Krise.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: