Süddeutsche Zeitung

Tölzer Prügel:Denk mal, Stadtrat!

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Die Wolfratshauser haben es verpasst, ein historisch bedeutsames Ensemble zu retten

Kolumne von Konstantin Kaip

Die Frage, was ein Denkmal auszeichnet, lässt sich nicht so leicht beantworten. Außer Zweifel hingegen steht, dass der Imperativ "Denk mal!" im Alltag oft ungehört verhallt. Diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man das Protokoll der Bauausschusssitzung im Wolfratshauser Stadtrat vom 3. Februar 2016 liest. Unter Tagesordnungspunkt 6 ging es es um das Haus in der Alpenstraße 14. Das gehört zur historischen Siedlung "Isarleiten", die zwischen 1936 und 1939 errichtet wurde. Das Ensemble wird in der bayerischen Denkmalliste als seltenes Beispiel für den "alpenländischen Heimatstil" der NS-Zeit geführt. Schön muss man die Siedlung nicht finden. Eine historische Bedeutsamkeit aber kann man ihr nicht absprechen.

Der Eigentümer hatte eine Anfrage gestellt, das Haus Nummer 14 durch einen Neubau zu ersetzen. Eine Sanierung sei aus wirtschaftlicher Sicht nicht mehr sinnvoll, hatte der Architekt erklärt - und auf ein Urteil hingewiesen, dass der Ensembleschutz nicht gedeckt sei, wenn es wie in der Wolfratshauser Siedlung kein Einzeldenkmal gebe. Im Ausschuss wurde der Punkt rasch abgehandelt. Im Protokoll ist zu lesen, wie sich die Stadträte über Firstrichtungen auslassen und über energetische Nachteile bei alten Häusern. Die historische Bedeutung wurde nicht thematisiert, der Erhalt des Ensembles mit keinem Wort gefordert. Diskutiert wurde lediglich darüber, welche Variante des Neubaus (vier Reihenhäuser oder ein Mehrfamilienhaus) die bessere sei. Bei der Abstimmung votieren die meisten für die Reihenhäuser, gegen beide Varianten stimmt niemand.

Wussten die Stadträte nichts von der historischen Bedeutung, auf die sie heute bedauernd hinweisen? Kreisheimatpflegerin Maria Mannes hat sie jedenfalls kurz nach der besagten Sitzung in einem Protestbrief an Stadt und Landratsamt nachdrücklich betont. Aber da war schon eine behördliche Maschinerie in Gang gesetzt. Proteste des Historischen Vereins und die Änderung des Denkmalgesetzes konnten nichts daran ändern, dass der Abriss nun wohl stattfinden wird, obwohl er nach geltendem Recht gar nicht erlaubt wäre.

Das gibt zu denken. Auch daran, wie oft der Wolfratshauser Stadtrat sonst geradezu lustvoll Beschlüsse vertagt und verzögert und - beispielsweise beim Untermarkt 10 oder Parkhäusern - jahrelange Ehrenrunden gedreht hat. Ein "Denk mal!" würde man den Stadträten gerne zurufen, wenn man zurück in den Februar 2016 reisen könnte. Sie hätten schließlich versuchen können, eines zu erhalten. Stattdessen haben sie sich einen Denkzettel verpasst.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2019
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