Tölzer Prügel:Alte Inspiration für neue Mobilität

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Was früher funktionierte, lässt sich doch auch heute wieder anwenden...oder?

Kolumne von Klaus Schieder

So eine Sänfte war in den autofreien Zeitaltern eine feine Sache. In dieser Portechaise ließen sich hochwohlgeborene Herrschaften sanft durch die Straßen schaukeln, mal von zwei, mal von vier Lakaien getragen, je nachdem, wie stark die Insassen von ihrer Körperfülle her dem Ideal des Barock entsprachen. Die frühen Taxis müssen recht angenehme Transportmittel für diese Vonundzu gewesen sein, verglichen mit den Droschken und Kutschen, die ihnen regelmäßig das Steißbein und das Schädeldach ramponierten.

So manches Mal haben schwitzende Sesselträger vermutlich auch Henriette Adelheid von Canossa, Frau des kurfürstlichen Oberstkämmerers Max Cajetan von Toerring-Seefeld, durch die steile Marktstraße von Tölz geschleppt. Vielleicht grüßte die Adlige durch den Vorhang gnädigst das Fußvolk, das wortlos beiseite trat und sich hernach fragte, wer jetzt diese Gnadundhulden gewesen sein mochte. Von solchen Begegnungen ist im Stadtarchiv leider nichts überliefert. Übrig blieb jedoch die Sänfte, die jahrzehntelang im dunklen Speicher des Stadtmuseums vor sich hindämmerte und nach ihrer Wiederentdeckung nun zu den Prunkstücken unter den Exponaten gehört. Viel besser wäre sie allerdings im Fuhrpark der Kurstadt aufgehoben.

Immerhin hat man sich in Bad Tölz seit langem der Energiewende verschrieben, weshalb Bürgermeister Josef Janker schon vor Jahren mit einer ebenso kleinen wie schmalen Elektro-Chaise unterwegs war, die einer fahrbaren Sänfte ziemlich ähnlich sah. Inzwischen fährt er ein richtiges E-Auto und tankt den Strom der Tölzer Stadtwerke, der ja zu 100 Prozent öko ist. Auch auf E-Bikes hat man Janker schon sitzen sehen. Was im Fuhrpark damit noch fehlt, ist eine emissionsfreie Sänfte, die - je nach eingespannten Rathaus-Bediensteten - die Tempoarten Schritt, Lauf und Galopp bietet.

Das wäre eine feine Sache für den Bürgermeister und andere Wohlgeboren von der Spitze der Stadtverwaltung, wenn sie darin übers Kopfsteinpflaster der Fußgängerzone schwebten und vom Tragesitz huldvoll die Passanten grüßten. Die werden ihnen im Gegenzug vielleicht den Vogel zeigen, aber schon nicht gleich eins aufs Schädeldach geben.

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