Tölzer Marionettentheater:Puppenspieler mit Nachwuchssorgen

Tölzer Marionettentheater: Das Tölzer Marionettentheater wurde 1900 gegründet. Die Corona-Pandemie hat es nur mit finanzieller Hilfe der Stadt überlebt.

Das Tölzer Marionettentheater wurde 1900 gegründet. Die Corona-Pandemie hat es nur mit finanzieller Hilfe der Stadt überlebt.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Das traditionsreiche Theater und das Planetarium am Schlossplatz haben mit finanzieller Hilfe der Stadt die Corona-Pandemie überlebt. Allerdings fehlt es dem ehrenamtlichen Ensemble an neuen Kräften.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Die professionellen Puppenspieler Albert Maly-Motta und Karl-Heinz Bille haben nervenaufreibende Zeiten hinter sich. Das Marionettentheater und das benachbarte Planetarium am Schlossplatz hätten die Lockdowns in der Corona-Pandemie nicht überlebt, wäre die Stadt nicht finanziell zu Hilfe geeilt. "Ohne diese Unterstützung wäre das Marionettentheater gescheitert", sagt Maly-Motta. Als Dankeschön durften die Tölzer Stadträte ihre Sitzung am Dienstagabend erst einmal auf den Polsterstühlen in den Zuschauerräumen des Puppenhauses und des Observatoriums verbringen. Noch sei man weit davon entfernt, wieder die Besucherzahlen wie vor der Pandemie zu verzeichnen, sagte Maly-Motta. Diesen Knick gebe es aber überall im Veranstaltungssektor. "Über den werden wir hinweg kommen."

Das Puppentheater in Bad Tölz hat eine lange Tradition. 1900 von Medizinal-Drogist und Marionettenbauer Georg Pacher gegründet, hatte es seine Heimat zunächst im Salettl im Bürgergarten, ab 1913 dann in dem Haus am Schlossplatz, das damals von Stadtbaumeister Peter Freisl umgebaut und erweitert wurde. "Das Marionettentheater ist eine alte Institution", sagte Bürgermeister Ingo Mehner (CSU). Allerdings habe sie sich nicht wie andere ehrwürdige Einrichtungen ein- und damit auch abgeschliffen. Am Puppenhaus seien immer wieder junge Leute tätig, in der Akademie am Schlossplatz arbeiteten Marionettentheater und Planetarium, Volkshochschule und städtische Musikschule zusammen. Dies bewirke, "dass man frisch im Kopf bleibt", erklärte Mehner. "Ein Netzwerk", sagte Maly-Motta.

Tölzer Marionettentheater: Für Albert Maly-Motta (links) und Karl-Heinz Bille vom Marionettentheater ist es wichtig, dass das Know-how des Puppenspielens in Bad Tölz nicht verloren geht.

Für Albert Maly-Motta (links) und Karl-Heinz Bille vom Marionettentheater ist es wichtig, dass das Know-how des Puppenspielens in Bad Tölz nicht verloren geht.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Schwierigkeiten, mit denen die zwei Theaterleiter kämpfen, haben indes nicht nur mit den Nachwirkungen der Pandemie zu tun. "Das Problem ist: Der Nachwuchs fehlt", sagte Maly-Motta. Das Ensemble der Mitspieler ist rein ehrenamtlich tätig. Ein solches Haus zu führen, sei zwar schön, aber neue Kräfte seien dadurch auch schwer zu rekrutieren. Von der Bildhauerschule in Oberammergau habe eine junge Frau unlängst Interesse gezeigt, eine Einstellung scheiterte jedoch. "Wir können nicht bezahlen. Für die Zukunft muss man sich schon etwas überlegen."

Vielleicht gelinge es ja, Tölzer Schülerinnen und Schüler für ein Jahr anzuwerben: Diesen Vorschlag brachte Moritz Saumweber (Grüne) ein. Da müsse man mal mit den Lehrkräften reden, meinte er. "Jede Möglichkeit ist uns recht, um neue Leute anzuziehen", erwiderte Maly-Motta. Allerdings gingen Jugendliche nach dem Schulabschluss oftmals zum Studium - "und dann sind sie weg". Außerdem ist das Führen der Marionetten alles andere als leicht und schnell zu erlernen. Dazu bedarf es vieler Übungsstunden, vor allem in Tölz, wo jede Puppe, je nach ihrem Charakter, an speziellen Spielkreuzen und Fäden hängt, also eigens gehandhabt werden muss. Anders als beispielsweise in der Augsburger Puppenkiste, wo diese Führung laut Maly-Motta bei allen Marionetten gleich ist.

Tölzer Marionettentheater: Das Puppentheater, welches 120 Plätze bietet, soll noch mehr multifunktional genutzt werden. Klaus Wittmann liest dort im November aus dem Roman "Aus dem Leben meiner Mutter" von Oskar Maria Graf.

Das Puppentheater, welches 120 Plätze bietet, soll noch mehr multifunktional genutzt werden. Klaus Wittmann liest dort im November aus dem Roman "Aus dem Leben meiner Mutter" von Oskar Maria Graf.

(Foto: Manfred Neubauer)

Für die beiden Chefs ist das Marionettentheater nichts Nostalgisches, sondern etwas, das sich immer wieder an die Moderne anpasst und verändert. "Wir suchen nach neuen Wegen, vom Schnitzen bis zum 3-D-Druck", so Maly-Motta. Ziel sei es, dass das Marionettentheater "wieder zum Mainstream wird" und in Bad Tölz selbst mehr auffällt. Bei alledem steht für Maly-Motta jedoch an erster Stelle, das Know-how nicht zu verlieren. "Unser Gedanke ist, dass es so weitergehen soll, dass es keinen Bruch gibt." Werde das Marionettentheater hingegen zugesperrt, "dann ist es vorbei, dann ist das Wissen weg".

Tölzer Marionettentheater: Der Sternenprojektor der Firma Carl Zeiss aus Jena, den Maly-Motta vom Vonderau-Museum erhielt, ist das Herzstück des Planetariums am Schlossplatz.

Der Sternenprojektor der Firma Carl Zeiss aus Jena, den Maly-Motta vom Vonderau-Museum erhielt, ist das Herzstück des Planetariums am Schlossplatz.

(Foto: Manfred Neubauer)

2014 wurde das Planetarium am Schlossplatz eröffnet. Unter einer aus Ziegelsteinen erbauten Kuppel mit sechs Metern Durchmesser beherbergt es als Herzstück einen Sternenprojektor der Firma Carl Zeiss aus Jena, den Maly-Motta vom Vonderau-Museum aus Fulda bekommen hat. Der ZKP2 stammt aus dem Jahr 1989, hat vorne und hinten zwei Kugeln, die jeweils 16 Miniprojektoren haben. Damit sei der Sternenhimmel zu jeder Tag- und Nachtzeit, an jedem Ort und zu jeder Zeit der Welt zu sehen, erklärte Maly-Motta den Stadträten und bot ihnen sogleich eine Vorführung. Am Ende sagte er ihnen, was er auch sonst als Schlusswort den Besuchern mit auf den Heimweg gibt: "Wir haben nur diesen Planeten, wir müssen auf ihn aufpassen, denn wir haben keinen zweiten."

Im Observatorium finden neben den Präsentationen mit dem Zeiss-Projektor auch Hochzeiten, Konzerte und Lesungen statt. Noch multifunktionaler soll auch das Marionettentheater genutzt werden, wo Klaus Wittmann im November drei Abende lang aus dem Roman "Aus dem Leben meiner Mutter" von Oskar Maria Graf lesen wird. "Wir haben einen schönen Saal im Theater", sagte Maly-Motta. Den könne man auch für Veranstaltungen außerhalb des Figurentheaters hernehmen. Oder, so der Theaterchef: "Sie können hier auch mal eine Stadtratssitzung machen."

Zur SZ-Startseite

SZ PlusMarionettentheater in Bad Tölz
:"Es braucht Jahre, bis man eine Hauptfigur spielen kann"

1000 handgefertigte Puppen gehören zum Repertoire des renommierten Tölzer Marionettentheaters, doch nur acht Spieler haben die Fäden in der Hand. Über eine Kunst, die für ihr Überleben nicht nur moderne Technik braucht, sondern auch neue Fans hinter der Bühne.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: