Tölzer Leonhardifahrt:"Das ist der Tag im Jahr, der abgeht"

Tölzer Leonhardifahrt: Seit einem halben Jahrhundert ist Anton Mayer bei der Tölzer Leonhardifahrt dabei - 2022 ist er erstmals auch Leonhardi-Lader. Den Truhenwagen bekam er zu seinem 60. Geburtstag geschenkt.

Seit einem halben Jahrhundert ist Anton Mayer bei der Tölzer Leonhardifahrt dabei - 2022 ist er erstmals auch Leonhardi-Lader. Den Truhenwagen bekam er zu seinem 60. Geburtstag geschenkt.

(Foto: Klaus Schieder/oh)

Landwirt und CSU-Stadtrat Anton Mayer nimmt zum 50. Mal als Gespannführer an der Tölzer Leonhardifahrt teil - und zum ersten Mal als Leonhardi-Lader. Nach drei Jahren Corona-Pause sei die Vorfreude unter den "Rosserern" groß, sagt er.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Für Anton Mayer ist die Tölzer Leonhardifahrt in diesem Jahr schon außergewöhnlich. Nicht nur deshalb, weil die traditionelle Wallfahrt mit Ross und Reiter, Truhen- und Tafelwagen nach der coronabedingten Zwangspause erstmals seit 2019 wieder stattfinden darf. Der 66 Jahre alte Landwirt und CSU-Stadtrat feiert diesmal auch gleich ein großes Jubiläum: Er ist zum 50. Mal als Gespannführer dabei. Und dann hat er auch gleich noch einen neuen Job übernommen. Zusammen mit dem Ratskollegen Michael Lindmair (FWG) ist er nun Leonhardi-Lader, nachdem Anton Heufelder und Ludwig Bauer dieses Amt schon vor Corona aufgegeben hatten. Die Freude auf Leonhardi steht Mayer ins Gesicht geschrieben, als er am Küchentisch auf dem Manghof in Ellbach in einem Satz beschreibt, was die Wallfahrt für ihn, für Bad Tölz, fürs Umland bedeutet: "Das ist der Tag im Jahr, der abgeht, das ist der Feiertag im Isarwinkel."

Ungewöhnlich ist auch, dass die Tölzer Leonhardifahrt am 7. November anberaumt ist - und nicht wie üblich am 6. November, dem Tag des Heiligen Leonhard. Aber weil sonntags seit eh und je nicht gefahren wird, wird sie diesmal auf Montag verschoben. Trotzdem sind 72 Gespanne angemeldet, nur vier weniger als vor der Pandemie. Zu den Gästen zählt aller Voraussicht nach Ministerpräsident Markus Söder, der 2017 schon einmal zur Pferdewallfahrt nach Tölz gekommen war. Er wird vermutlich oben auf dem Kalvarienberg den Segen für Fuhrleute, Schalkfrauen und Pferde verfolgen und einen Gruß an die Wallfahrer richten. Na ja, meint Mayer in bajuwarischer Gelassenheit, das sei ja ganz in Ordnung, dass er als Landesvater komme. Der Stoiber sei vorher auch ein paar Mal da gewesen.

Seine neue Aufgabe als Leonhardi-Lader macht Mayer sichtlich Spaß, auch wenn er als Landwirt und Stadtrat ansonsten genug zu tun hat. Im Leonhardi-Ausschuss berät er über das Sicherheitskonzept, er sucht die Leonhardi-Abzeichen mit aus, er leitet die Verlosung der Zugreihenfolge, die vor Kurzem im Tölzer Kurhaus über die Bühne ging. All dies zusammen mit Michael Lindmair, mit dem er "ein sehr harmonisches Team" bilde, wie der 66-Jährige sagt. Und das sei keine Plattitüde: "Nein wirklich, das ist schön und eine Freude." Die Zusammenarbeit sei "wunderbar".

Tölzer Leonhardifahrt: Neuer Leonhardi-Lader ist neben Anton Mayer der Zweite Bürgermeister Michael Lindmair.

Neuer Leonhardi-Lader ist neben Anton Mayer der Zweite Bürgermeister Michael Lindmair.

(Foto: Manfred Neubauer)

Ungetrübte Stimmung herrscht Mayer zufolge nach der langen Corona-Pause auch unter den Fuhrleuten. Das bekam er zum einen bei der Verlosung im Kurhaus mit: "Die Rosserer sind guter Laune, auch die Leute, die mitfahren. Alle nehmen Urlaub, sie sind wirklich gut drauf." Das merkt er auch, wenn er gemeinsam mit Lindmair an zehn bis zwölf Tagen vor Leonhardi von Hof zu Hof zieht, um den Bauern persönlich die Einladung der Stadt zu überbringen. Die Besuche der beiden Lader würden sehr geschätzt, erzählt Mayer. "Wir sind sehr gastfreundlich aufgenommen worden." Da gibt es schon mal eine richtige Brotzeit, ebenso Kaffee und Kuchen, oder mal ein Bier, mal einen Schnaps.

Unterdessen muss sich Mayer auch selbst auf die Leonhardifahrt vorbereiten. Seit er als Bub mit 13, 14 Jahren mit zwei Ponys teilnahm und mit 18 dann ein großes Gespann mit den Haflingern des Manghofs führte, hat sich die Anspannung vor der Wallfahrt bei ihm nie so ganz gelegt. Auch nicht nach einem halben Jahrhundert. Nervös, sagt er, sei er immer. "Das ist ja eine gewisse Verantwortung." Deshalb übt er in den zwei, drei Monaten vor Leonhardi mit acht Haflingern - "vier Zuchtstuten plus Nachzucht" - in den Wäldern rund um Ellbach, auf den Wegen oder auch quer durchs Dorf. Und zwar überall dort, wo Gefahrenquellen sein könnten, wie er sagt: "Wo ich etwas entdecke, was schreckhaft sein könnte, fahr' ich hin." Diesmal hat er ein ganz junges Pferd dabei. Das sei erst drei Jahre alt, zeige sich aber "bisher sehr gelassen".

Tölzer Leonhardifahrt: Schlechtes Wetter herrschte 2019 bei der vorerst letzten Tölzer Leonhardifahrt. Anton Mayer hofft, dass es nach der Corona-Zwangspause nun am 7. November von oben trocken bleibt.

Schlechtes Wetter herrschte 2019 bei der vorerst letzten Tölzer Leonhardifahrt. Anton Mayer hofft, dass es nach der Corona-Zwangspause nun am 7. November von oben trocken bleibt.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Routinier Mayer nimmt die gewohnte Route vom Kurviertel zur Isarbrücke, durch die Marktstraße, die Jägergasse und den Maierbräugasteig hinauf zum Kalvarienberg, zurück zur Marktstraße, von dort durch den Khanturm die Salzstraße hinauf zu Mühlfeldkirche ja auch nicht alleine. In seinem hellblauen Truhenwagen, den er vor sechs Jahren zum Geburtstag bekam, fahren zwölf Jungfrauen aus Ellbach mit. Beim Manghof sei das so seit 1974, sagt Mayer. Dabei handle es sich um ledige Mädchen im Miedergewand. Die Vermutung liegt nahe, dass sich junge Frauen dafür im Zeitalter von Smartphone und sozialen Medien eher wenig interessieren. Im Gegenteil, erwidert Mayer: "Die jetzige Jugend wartet richtig darauf, bis eine heiratet, damit wieder ein Platz frei wird - da gibt es bei uns sogar eine kleine Warteschlange."

Die Tölzer Leonhardifahrt, die 1772 erstmals stattfand und seit 2016 auch in der Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes steht, ist in ihrem Kern eine Wallfahrt - und nicht etwa ein fotogener Brauchtumsevent für Touristen. Vor mehr als zehn Jahren schien dieses Wesen der Prozession zu Pferde aus dem Blick zu geraten, als so manche Gäste am Ende des Tölzer Nationalfeiertags als Alkoholleichen in den Straßen und Gassen lagen. "Das ist in die verkehrte Richtung gesteuert worden", sagt Mayer. Allerdings stimme es nicht, dass Leonhardifahrer die Leute betrunken gemacht hätten mit ihrem Brauch, aus den Wägen heraus ihren Nachbarn und Freunden etwa Hochprozentiges zum Aufwärmen zu reichen. In die richtige Bahn sei die Wallfahrt wieder gekommen, als die Stadt die öffentlichen Ausschenkflächen geschlossen habe, so Mayer. Im Übrigen sei in den Statuten der Leonhardifahrt verankert, dass auf dem Wallfahrtsweg überhaupt kein Alkohol ausgeschenkt werden darf.

Tölzer Leonhardifahrt: 72 Gespanne sind in diesem Jahr für die 166. Tölzer Leonhardifahrt angemeldet worden.

72 Gespanne sind in diesem Jahr für die 166. Tölzer Leonhardifahrt angemeldet worden.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Aber solche Exzesse sind längst vorbei. Schon eher ein Thema sind jene Gespannführer geblieben, die ihre Pferde trotz aller Warnungen im Galopp durch den Khanturm die Salzstraße hinauf galoppieren lassen. Das erzeugt eindrucksvollen Krach auf dem Kopfsteinpflaster, ist aber gefährlich für Teilnehmende und Zuschauende. "Wir haben in die Wege geleitet, dass das heuer abgestellt wird", sagt Leonhardi-Lader Mayer. "In der Marktstraße wird nur noch Schritt gefahren." So wie auf dem Gemälde der großen Ehrenurkunde, die im Hausflur von Anton Mayer hängt. 2018 gratulierte die Stadt Bad Tölz damit zur 80. Teilnahme an der Leonhardifahrt. 80? Ja, sagt Mayer, "80 mal war der Manghof dabei."

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