Tölzer Jobcenter:Benimm-Regeln für Azubis

Weil die Umgangsformen junger Leute oft besser sein könnten, bietet das Tölzer Jobcenter erstmals einen Knigge-Kurs an. Von 40 eingeladenen Lehrlingen erschienen allerdings nur fünf.

Von Klaus Schieder

Tölzer Jobcenter: Trainerin und Coach Lydia Morawietz sagt jungen Leuten, worauf sie in der Ausbildung und später dann im Beruf achten sollten.

Trainerin und Coach Lydia Morawietz sagt jungen Leuten, worauf sie in der Ausbildung und später dann im Beruf achten sollten.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Es ist genau 10.10 Uhr. Drei junge Männer sitzen am Donnerstag im Seminarraum des Tölzer Jobcenters und warten schweigend darauf, dass der Workshop "Knigge für Auszubildende" endlich beginnt, der schon seit zehn Minuten laufen sollte. Fünf Minuten später kommen noch zwei Azubis hinzu, das war's dann. Dabei hatten Jobcenter-Chef Andreas Baumann und Monica Schuster-Herwath, Teamleiterin Arbeitsvermittlung, nicht weniger als 40 angehende Lehrlinge zu dem Kurs in gutem Benehmen eingeladen. Das Zuspätkommen, vor allem aber das unentschuldigte Fernbleiben verdeutlichen, dass manche Auszubildende durchaus Defizite in Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit haben. Es hapert an den Manieren.

Lydia Morawietz wird demzufolge deutlich. Pünktlichkeit sei "eine Art von Wertschätzung gegenüber dem anderen", sagt die Unternehmerin aus München, die seit zehn Jahren auch als Benimm-Coach unterwegs ist. Wenn die Arbeit in einem Betrieb um 7 Uhr beginne, dann erwarte der Arbeitgeber, dass der Angestellte spätestens um 7 Uhr da sei. Und nicht um 7.01 oder erst um 7.10 Uhr. Am besten sei es, ein paar Minuten vorher zu kommen, sagt die Trainerin. Dann fragt sie einen künftigen Industriemechaniker, wie er über das Verhalten jener Teilnehmer denke, die nicht zum Workshop erschienen sind. "Unhöflich" sei das, erwidert der 25-Jährige.

Der Benimmkurs ist der erste, den das Jobcenter veranstaltet. "Die jungen Leute fangen jetzt eine Lehre an, da ist es wichtig, wie man sich am ersten Tag aufführt", sagt Baumann. Freundlich sein, grüßen, saubere Kleidung tragen - solche Selbstverständlichkeiten sind oft nicht mehr so selbstverständlich, wie Morawietz weiß. "Früher hat man viel aus dem Elternhaus mitbekommen, aber die Gesellschaft hat sich gewandelt", sagt sie. Die "Basics" - also die Grundformen - guter Manieren würden "nicht mehr in der Familie gelebt".

Deshalb geht es in dem Workshop ans Eingemachte. "Bitte" und "Danke" sind für die Geschäftsführerin der BLM GmbH, die Serviceleistungen im Büromanagement, im Business-Coaching und für Senioren anbietet, die "einfachsten Zauberwörter". Sie erklärt, warum ein vernehmbares "Guten Morgen" besser fürs eigene Image in einer Firma sei als ein vernuscheltes "Hallo". Für den ersten Eindruck, sagt sie, bekomme man keine zweite Chance. Ob jemand sympathisch oder unsympathisch sei, entscheide sich im Unterbewusstsein im Bruchteil einer Sekunde. Der wesentliche Faktor sei dabei mit bis zu 60 Prozent die äußere Erscheinung, wozu Kleidung und Körpersprache zählten, gefolgt von der Stimme (35 Prozent) und schließlich auch vom Inhalt dessen, was man sagt (fünf Prozent). Wer in gammeligen Klamotten zu einem Vorstellungsgespräch komme, sei schon in einer Schublade drin, so Morawietz. "Aber auch ein Designeranzug nützt nichts, wenn ich mit herunterhängenden Schultern und Mundwinkeln dastehe."

Ein Teil der Kurses bestand in einem Smalltalk-Spiel. Aus ihren Erfahrungen als Coach weiß Morawietz, dass sich junge Leute durch das stundenlange Netzwerken per Smartphone oder Tablet in der direkten Kommunikation häufig schwertun. "Sie wissen nicht, was sie sagen sollen, es fehlt ihnen an Themen." Den Azubis im Jobcenter riet sie dazu, in ihrer Firma die Regel "Anwesende vor Abwesende" zu beachten und das Handy auszuschalten. Denn wer ans Telefon gehe, signalisieren ja dem Menschen, mit dem er gerade rede, dass der Anrufer wichtiger sei. Und auch dies gab die Trainerin den jungen Männern mit auf den Weg: Wer etwas mit einem Lächeln sage, komme damit anders an.

Mit guten Umgangsformen, sagt sie, tue man sich leichter - auch wenn man die Karriereleiter emporklettern möchte. Schuster-Herwath genügt es schon, wenn Azubis nicht gleich "verhaltensbedingt gekündigt" werde. Mitunter sind als unartig empfundene Gesten jedoch nicht ein Ausdruck schlechter Manieren, sondern beruhen auf kulturellen Unterschieden. Darauf machte ein Syrer aufmerksam, der jetzt eine Elektrikerlehre beginnt. Als Morawietz verschränkte Arme vor dem Körper als Abwehrhaltung apostrophierte, meldete er sich zu Wort. In Syrien, sagte er, seien verschränkte Arme ein Zeichen für Offenheit.

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