Tölzer Geschichte:Die vergessenen Kurgäste

Marktstraße Bad Tölz

Die Marktstraße in Bad Tölz - auch heute noch ein sehr schmucker Boulevard. Doch auch im 19. Jahrhundert sind dort schon viele berühmte Persönlichkeiten herumgewandelt.

(Foto: Manfred_Neubauer)

Mark Twain und D.H. Lawrence, Fürstin Johanna von Bismarck und Franz von Lenbach: In einem Vortrag zeigt Heimatforscher Martin Hake, dass Bad Tölz bis 1918 ein beliebtes Ziel für berühmte Künstler und Adlige war

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Bad Tölz war einmal ein mondäner Kurort. Alleine die Anzeigen in der Lokalzeitung künden davon, dass Hotels und Pensionen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ihrem illustren Publikum jede Menge Unterhaltung zu bieten wussten. Während der Sommersaison zwischen Mai und September gab es fast jeden Abend Konzerte, Bälle und allerlei andere Zerstreuungen. Und wer da vor mehr als 100 Jahren nicht alles zu Besuch kam: die Schriftsteller Mark Twain und Lion Feuchtwanger, die Maler Franz von Lenbach und Franz Marc, die Herzogin Mathilde von Bayern und die Fürstin Johanna von Bismarck.

Über das Thema "Berühmte und zu Unrecht vergessene Kurgäste" referierte Heimatforscher Martin Hake am Montagabend beim Historischen Verein im Oberland im Gasthaus Zantl. "Anfang der 1880er-Jahre hat die Kur in Bad Tölz einen unglaublichen Aufschwung genommen", sagte Hake. Das "Bad" trug Tölz wegen seiner Jodquellen von 1899 an im Namen, also seit nunmehr 120 Jahren.

Johanna von Bismarck war schon früher da. 1877 weilte die Frau des Reichskanzlers Otto von Bismarck in Tölz. Ein alte Fotografie zeigt sie in fortgeschrittenem Alter mit weißer Haube und Schirm, die Mundwinkel etwas nach unten gezogen. Die Lokalzeitung vermeldete damals, dass das "günstige, ja prachtvolle Wetter" ihre Aufenthaltsdauer ein wenig verlängert habe. Außerdem habe sich "die hohe Frau" außerordentlich wohlwollend über Konrad Loder geäußert, den Inhaber des großen Kurhotels. Ob sich auch der Reichskanzler selbst in Tölz aufhielt, konnte Hake bislang nicht eruieren. Angeblich sei Otto von Bismarck einmal da gewesen, sagte er. "Aber das ist umstritten, ich habe noch keinen Beweis dafür gefunden."

Den Aufschwung, den Tölz als Kurstadt im auslaufenden 19. Jahrhundert nahm, hing auch mit prominenten Gästen wie Fürstin Bismarck zusammen. Mehr aber mit dem Ausbau der Eisenbahnlinie im Jahr 1874. Drei Mal am Tag fuhr der Zug von München nach Tölz und zurück, um 6 Uhr früh, um halb zwölf mittags, um dreiviertel sechs abends. Die Fahrzeit betrug mehr als zwei Stunden. Mit ihm kam auch Lion Feuchtwanger nach Tölz, weil Angelo Feuchtwanger, der Bruder seines Großvaters, dort häufig zur Kur war. Übernachtet wurde im Parkhotel an der Buchener Straße. Dort führten die jüdischen Inhaber das Haus streng religiös. Mit koscherem Essen, nach jüdischem Ritus.

Mark Twain Google Doodle

Auch er war schon Gast in der Kurstadt: der Schriftsteller Mark Twain.

(Foto: dpa)

Der Eintrag eines Samuel Langhorne Clemens samt ganzer Familie in die Fremdenliste belegt, dass 1893 ein anderer berühmter Autor in die Kurstadt kam. Sein Künstlername: Mark Twain. "Er war begeistert von Tölz", erzählte Hake. Weil Twain etwas Deutsch konnte, habe er sich mit den Einheimischen oft unterhalten und sich in der Stadt "sehr wohlgefühlt". Seine kranke Frau, denen die Ärzte damals nur eine Lebensfrist von wenigen Monaten prophezeit hatten, lebte nach dem Aufenthalt in der Kurstadt noch einige Jahre lang.

Mit der Kutsche rumpelte Karl May im Jahr 1899 vom Achensee nach Tölz und quartierte sich im Hotel Bürgerbräu ein. D. H. Lawrence, Schöpfer der "Lady Chatterley", kam am 3. Juni 1906 mit Zug aus München, wie er in seinem Tagebuch vermerkte. Das zweite Mal reiste er am 8. Mai 1921 an. Mit seiner Frau Frida Freiin von Richthofen wanderte er weiter zum Achensee und ins Inntal. Der österreichische Schriftsteller Arthur Schnitzler behielt Bad Tölz in eher unangenehmer Erinnerung, wie sein Briefwechsel mit Hermann Bahr zeigt. "Verstimmend" sei sein Eindruck gewesen, schreibt Schnitzler. In Tölz war an diesem 26. August 1895 gerade Jahrmarkt, ein Marketender plärrte ihm entgegen: "Ihr werd's a schön dreckate Himmelfahrt ham." Schnitzler merkte an: "Hier ist Vertraulichkeit, was in der Großstadt Lästerung ist." Andere Autoren, die in Tölz weilten, sind heute nicht mehr ganz so bekannt wie zu ihrer Zeit: der Literatur-Nobelpreisträger Paul Heyse, Eduard von Keyserling, Felix Dahn ("Der Kampf um Rom").

Leuchter im Thomas-Mann-Zimmer

Aus einer Zeit, in der Tölz als Kurort aufblühte, berichtete Heimatforscher Martin Hake beim Treffen des Historischen Vereins.

(Foto: Manfred Neubauer)

Unter den Malern gehört neben Franz Marc vor allem Franz von Lenbach zu den prominenten Gästen. Ein Tölzer Zahnarzt, berichtete Hake, habe beschrieben, wie er Lenbach mit Frau und zwei Töchtern an seinem Haus vorbei in Richtung Kurpark gehen sah. Regelmäßig in Tölz hielt sich der Maler Joseph Wenglein auf, "er war einer der häufigsten Kurgäste". Was Hake selbst überrascht hat: Gustav Stresemann, Außenminister und Reichskanzler in der Weimarer Republik, kam 1902, allerdings nicht der Kur wegen, sondern beruflich. Der spätere Friedensnobelpreisträger vertrat damals Schokoladenfabrikanten aus Dresden. Militärs, Künstler, Professoren, Industrielle: Hake hätte nach eigenen Angaben noch stundenlang über illustre Kurgäste erzählen könne. Zum Beispiel auch über Mathilde Herzogin von Bayern, die Schwester von Sisi, die in der Villa Meister gegenüber dem Zollhaus in der Benediktbeurer Straße wohnte. "Sie war immer wieder mal in Bad Tölz, das stand dann fettgedruckt im Fremdenverzeichnis."

Fürstin Bismarck kehrte nicht wieder nach Tölz zurück. 1881 reiste sie zur Kur nach Kreuth, wo sie sich einer Molkekur unterzog. "Vielleicht hat ihr das besser geschmeckt als das Jodwasser", so Hake.

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