Kriegsende in Bad Tölz-WolfratshausenGedenken an Tod und Befreiung

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Bildhauer Hubertus von Pilgrim erschuf 22 identische Denkmäler, die an den Todesmarsch der Häftlinge im KZ Dachau im Jahr 1945 erinnern.
Bildhauer Hubertus von Pilgrim erschuf 22 identische Denkmäler, die an den Todesmarsch der Häftlinge im KZ Dachau im Jahr 1945 erinnern. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Landkreis erinnert mit zahlreichen Veranstaltungen an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren. Im Fokus steht der Todesmarsch der Häftlinge aus dem KZ Dachau.

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz-Wolfratshausen

Am 26. April 1945 trieb die SS Tausende Häftlinge auf dem Appellplatz im KZ Dachau zusammen. Männer, Frauen und Kinder mussten sich auf den Weg gen Süden machen, weit weg von den herannahenden alliierten Truppen. Der Dachauer Todesmarsch führte von Allach und Pasing durch das Würmtal bis Starnberg, weiter nach Wolfratshausen, Reichersbeuern und Waakirchen. Dort, am 2. Mai 1945, befreiten Soldaten des 522nd Field Artillery Battalion die Überlebenden. Das war vor 80 Jahren. Um die Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkriegs und insbesondere an dieses Nazi-Gräuel wachzuhalten, finden in den kommenden Monaten zahlreiche Veranstaltungen im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen statt.

Es gibt mehrere Wegstreckendenkmäler im Landkreis, die an den Marsch der ausgemergelten KZ-Insassen erinnern. Geschaffen wurden sie vom Bildhauer Hubertus von Pilgrim. Die Skulpturen sind identisch und zeigen 14 gebeugte Figuren. Ein Denkmal steht auf dem Gebiet der Gemeinde Reichersbeuern, direkt an der Grenze zu Waakirchner Flur, am sogenannten Schopfloch. Dort soll künftig auch jener GIs gedacht werden, die die Dachauer Häftlinge befreiten. In Kooperation mit seinem Bürgermeisterkollegen Norbert Kerkel wolle man einen Gedenkstein für die US-amerikanischen Befreier aufstellen, sagte Ernst Dieckmann aus Reichersbeuern. Ebenso soll eine Informationstafel errichtet werden, es wird zudem eine Kranzniederlegung geben. Viele, die dort etwa mit dem Rad vorbeifahren, könnten mit dem Denkmal nichts anfangen, erklärte Dieckmann bei der Präsentation des Programm zu 80 Jahre Kriegsende im Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen. Die Tafel soll den geschichtlichen Hintergrund liefern.

Das Veranstaltungsprogramm stellten (v. l.) Florian Völler (Kriegsgräberfürsorge), Landrat Josef Niedermaier und Bürgermeister Ernst Dieckmann (Reichersbeuern) vor.
Das Veranstaltungsprogramm stellten (v. l.) Florian Völler (Kriegsgräberfürsorge), Landrat Josef Niedermaier und Bürgermeister Ernst Dieckmann (Reichersbeuern) vor. (Foto: Alexandra Vecchiato/oh)

Am Gedenktag der Befreiung vor 80 Jahren, am 2. Mai, ist ferner ein Festakt in Reichersbeuern für geladene Gäste geplant. Schirmherr ist Landrat Josef Niedermaier. Bei der Feier werden Zeitzeugen anwesend sein. Ehrengast ist Abba Naor. Er hat den Dachauer Todesmarsch erlebt. Aus erster Hand kann der jüdische Holocaust-Überlebende von den Verbrechen in Nazi-Deutschland berichten. Naor hat ein bewegtes Leben hinter sich: In Kaunas in Litauen geboren wurden er, seine Eltern und Brüder 1944 deportiert. Er und sein Vater überlebten und wanderten nach Israel aus. Dort wurde Naor Spion beim Mossad. 1965 kehrte er nach München zurück und betrieb ein Restaurant und ein Kaffeehaus.

„Es ist der letzte runde Jahrestag, an dem wir noch damit rechnen dürfen, mit Zeitzeugen reden zu können“, sagte Florian Völler, Kreisbeauftragter für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Er freue sich, dass viele Kommunen sich mit Enthusiasmus an dem Gedenk-Programm beteiligen würden. Zumal die Erlebnisgeneration nicht mehr lange Zeugnis aus erster Hand ablegen könne. Bald werde es nur noch Geschichten vom Hörensagen geben. Umso wichtiger sei es in Zeiten, in denen es unter anderem über soziale Medien leicht gemacht werde, den Holocaust zu leugnen, und wo Täter zu Opfern stilisiert würden, umfassend über den Nationalsozialismus und seine Verbrechen zu informieren.

Vorträge, Filme, Ausstellungen und Lesungen

Neben Ausstellungen, Filmen, Vorträgen und Lesungen gibt es Bunkerführungen in Geretsried oder ein Festwochenende im Erinnerungsort Badehaus in Waldram. In zwei Tagen jähre sich die Bombardierung Geretsrieds am 9. April 1945, so Völler weiter. Der Arbeitskreis Historisches Geretsried stelle zu diesem Anlass eine neue Publikation am Freitag, 11. April, vor.

Höhepunkt sei allerdings der Festakt in Reichersbeuern, betonte Völler. Angehörige jener US-Soldaten würden eigens anreisen, die am 2. Mai 1945 die bis zu Skeletten abgemagerten Todesmarsch-Häftlinge fanden, die von ihren SS-Bewachern zum Sterben zurückgelassen worden waren. Deren Familiengeschichte sei faszinierend. Das 522nd Field Artillery Battalion, eine Einheit des 442nd Regimental Combat Team, setzte sich aus Amerikanern mit japanischer Abstammung zusammen. Nach dem Angriff Japans auf die US-Flotte in Pearl Harbor im Jahr 1941 wurden Hunderte US-Bürger mit japanischen Vorfahren interniert. Um sich wieder „freizukaufen“, wurden sie vor die Wahl gestellt, den Vereinigten Staaten als Soldaten, die sogenannten Nisei, zu dienen - während ihre Familien in Lagern eingeschlossen blieben.

Noch ein Detail wusste Landrat Niedermaier zu berichten. Im heutigen Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen, als SS-Junkerschule erbaut, befand sich eine Außenstelle des KZ Dachau. „Auch das müssen wir aufarbeiten“, sagte Niedermaier und sprach von „Schätzen“ wie Feldpost und ähnliches, die sich noch in privaten Kellern und Dachböden finden ließen.

Nähere Infos zu den Veranstaltungen sind im Internet unter www.lra-toelz.de/gedenkveranstaltungen zu finden.

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