Gastronomie:Kochels kleine Seelenküche

Lesezeit: 3 Min.

Das Mobiliar für ihr gemeinsames Restaurant hat Simone Kreisbeck ausgesucht. Mit Richard Baar hat sie sich einen Lebenswunsch mit dem "Tiny Soul" erfüllt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Mitten im bayerischen Oberland gibt es ein fleischloses Restaurant. Das Tiny Soul bietet in einer ehemaligen Schmiede am Kochler Bahnhof ausschließlich vegetarische Gerichte an, mit regionalen Produkten und in Wohnzimmeratmosphäre.

Von Quirin Hacker, Kochel am See

Vegetarischer Burger, Gurkensuppe und Quiche anstatt Schweinsbraten und Semmelknödel - auf der Speisekarte des "Tiny Soul" in Kochel am See finden Gäste ausschließlich Gerichte ohne Fleisch. Das im April 2021 eröffnete Restaurant empfängt seine Kundschaft mit einer massiven Eingangstür aus Holz, in die die Jahreszahl 1843 eingeschnitzt ist. Die ehemalige Schmiede neben dem Bahnhof dürfte aber wie die umliegenden Gebäude noch viel älter sein.

Einen Kontrast zu den alten Gemäuern bilden die an der Wand lehnenden Surfbretter und Skateboards im Tiny Soul. Hinter der Kuchenvitrine bedient Richard Baar die Kaffeemaschine, während Simone Kreisbeck in der Küche hantiert. Die beiden Betreiber leben selbst vegetarisch. Bei der Gestaltung des gemeinsamen Restaurants wollten sie ihren eigenen Idealen folgen und Speisen anbieten, die sie auch selbst gerne essen. "Das Konzept ist internationale Küche mit regionalen Produkten," sagt Baar. Die Atmosphäre des Lokals beschreibt er als "Wohnzimmerflair".

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Richard Baar ist schon sein gesamtes berufliches Leben in der Gastronomie tätig. Gemeinsam mit Partnern betrieb er in München Lokale für gehobene Ansprüche, beispielsweise das Barista in den "Fünf Höfen". Fisch und Fleisch machten dort einen großen Teil der Gerichte aus. Das Übermaß von Geld, Macht und Status in der Edelgastronomie habe ihn aber schließlich dazu bewogen, eine andere Richtung einzuschlagen. "Weil ich gemerkt habe, dass die Werte, die da gelebt werden, mir überhaupt nicht entsprechen," sagt Baar, der aus einer Arbeiterfamilie stammt. Sein Sohn habe ihn schließlich veranlasst, Vegetarier zu werden. "Die vegetarische Speisekarte war für mich ein logischer Schritt in meiner gastronomischen Entwicklung."

An schönen Tagen können Gäste auch draußen Platz nehmen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Anders als ihr Geschäftspartner hat Simone Kreisbeck keine langjährige Erfahrung in der Gastronomie. Eigentlich ist sie Fotografin und Stylistin. Nach wie vor arbeitet sie einen Tag in der Woche in diesem Beruf. Im Tiny Soul ist sie für die Küche zuständig. Mit 17 Jahren verließ sie ihren Heimatort Kochel am See, hatte aber schon lange den Plan, zurückzukehren und dort "etwas Cooles" aufzubauen, wie sie es selbst ausdrückt. Vegetarierin ist Kreisbeck - mit Unterbrechungen - seit ihrer Kindheit. Als Motivation hinter ihrer Ernährungsweise nennen beide das Tierwohl, aber auch ökologische und gesundheitliche Gründe. Mit dem Weideschuss hat Kreisbeck kein Problem - mit Massentierhaltung und Schlachthöfen jedoch schon. "Wir können das mit Spaß vorleben", sagt sie. "Aber wir möchten keine Religion daraus machen und niemanden in eine Richtung drängen." Auch Fleischesser seien im Tiny Soul selbstverständlich willkommen.

Vor der Eröffnung hatten beide überlegt, in ihrem Lokal auch Fleischgerichte zu servieren, weil ihnen unklar war, ob ein vegetarisches Restaurant in Kochel am See funktionieren würde. Letztendlich entschieden sie sich dagegen. Klassisch bayerische Küche gebe es in der der Umgebung genug, sind sich die Partner einig. Es biete eben Vorteile, sich vom Mainstream abzuheben, sagt Baar. Außerdem sei Kochel ein "offener Ort" und nah bei München gelegen. Kreisbeck sieht das ähnlich: "Auf den ersten Blick passt das Konzept nicht zum Dorf. Aber die Leute haben das gut angenommen."

Burger? Der geht auch vegetarisch, wie alle Speisen im "Tiny Soul" auf Fleisch verzichten. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Speisekarte variiert im Tiny Soul je nach Saison. Konstant bleiben jedoch Burger, eine Suppe und ein Curry. Nach eigenen Angaben kommen 60 bis 70 Prozent der Zutaten von regionalen Erzeugern, wobei die Verfügbarkeit je nach Ernte und Jahreszeit schwankt. Wenn die Landwirte im Umland nichts haben, muss Baar zukaufen. Der Bauer auf Schlehdorf bringe die Eier persönlich vorbei und bleibe dann gerne auf ein Bier, erzählt Kreisbeck. An ruhigen Tagen gehen um die 50 Gerichte über die Theke, wenn der Laden voll ist, bis zu 100. Laut Kreisbeck kommt dann die Küche schnell an ihre Grenzen. Nomen est omen: Im Tiny Soul ist die Küche ist ziemlich klein.

Die Kochler seien froh, dass wieder ein Restaurant in den Räumen eingezogen ist, nachdem die Kneipe dort geschlossen hatte, so Kreisbeck. Nach der Eröffnung im Juni 2021 seien die Einwohner fleißig gekommen und hätten das Restaurant so über die schwere Anfangszeit gerettet. Inzwischen besuchen aber auch Münchner Tagesausflügler und andere Touristen das Lokal. Besonders indische Familien scheine das fleischlose Angebot anzusprechen, berichtet Kreisbeck. "Oft essen sie eine Kleinigkeit, und wenn das gut schmeckt, bestellen sie die Speisekarte hoch und runter."

Wer keine Lust auf was Warmes hat, für den gibt es Kuchen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In Zukunft möchten die Wirte das Tiny Soul auch als Veranstaltungsort für Lesungen, Kochkurse und Musik nutzen. Letztere hat es in den Vorgänger-Lokalen in der ehemaligen Schmiede immer gegeben. Schon ihr Vater habe dort in jungen Jahren selbst Gitarre spielte und "beim Schorsch Gaudi gmacht", erzählt Kreisbeck. Diese Tradition soll weiterleben.

Tiny Soul, Bahnhofstraße 9, Kochel am See, Telefon 08851/9402292, Öffnungszeiten: Donnerstag und Freitag 14 bis 22 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 22 Uhr; tiny-soul.de

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