Süddeutsche Zeitung

Wolfratshausen:Große Freiheit im kleinen Haus

Nach jahrelanger Odyssee wohnt die Wolfratshausener Künstlerin Barbara Lexa zufrieden im Tiny House im eigenen Garten. Ihrer Bühnenkarriere weint sie nicht nach - sie freut sich lieber darauf, was noch kommt.

Von Susanne Hauck, Wolfratshausen

"Ich bin innerlich angekommen", sagt Barbara Lexa über ihr alternatives Lebensglück, das sie im eigenen Garten in Farchet gefunden hat. Hier steht seit einigen Monaten ein Tiny House, mit dem sie sich den Traum von einem freiwillig einfacheren Wohnen auf kleinstem Raum erfüllt hat. Auf bescheidenen 31 Quadratmetern verteilen sich ein gemütlicher Wohnerker mit Gitarre an der Wand, zwei Kommoden und ein Bücherregal, ein bequemes Doppelbett und eine Küchennische mit einem Holzofen wie aus der guten alten Zeit. Hinter einer Schiebetür geht's noch zum winzigen Duschbad. Will sie in ihr Büro, muss sie allerdings hinüber ins Haupthaus.

Lexa ist eine Künstlerin, Mundartmusikerin und Autorin, deren Laufbahn sich nicht so leicht in eine Schublade stecken lässt. Die Berufsbezeichnung "Jodlerin" will sie schon gleich gar nicht hören. "Das war in den Neunzigerjahren", wehrt sie ab. "Wenn überhaupt, dann bin ich Jodellehrerin." Barbara Lexa, 1,56 Meter klein, sieht deutlich jünger aus als ihre 53 Jahre, wiegt dank veganer Lebensweise kein Gramm zu viel, sprüht vor Vitalität und kann gut mit Menschen. Mit großer Offenheit berichtet sie über ihren musikalischen Werdegang, der sie leicht bis ganz nach oben hätte führen können, wenn nicht immer wieder etwas Neues daher gekommen wäre.

Mit Mutter Resi im Duett sang und jodelte sie schon als kleines Mädchen bei Festen. Dann aber habe sie das ständige Unterwegssein und die Verpflichtung zunehmend angeödet. "Der Applaus war schön, aber immer und überall hieß es: Sing doch mal." Mit 16 Jahren stieg sie aus, um ihren eigenen Weg zu gehen. Lexa machte sich einen Namen als Musikerin bei Stubenmusik- und Unterhaltungsmusikformationen, von der "Krautleffe-Musi", "zusammen mit dem Heilinglechner Klausi", dem heutigen Wolfratshauser Bürgermeister, bis zum Edelweiß-Trio und zum Duo Aquarius. Später tourte sie erfolgreich mit ihrem eigenen Kabarettprogramm.

Mit den Jahren ist es ruhiger geworden um sie, die letzten Bühnenauftritte sind schon einige Zeit her. Die schöpferischen Pausen zwischendurch sieht sie als eine Art natürliche Häutung. Denn sie glaubt daran, dass sich das Leben sowieso im Rhythmus von sieben Jahren völlig erneuert. "Das ist mir schon oft so gegangen." Auch ihre bekannten Jodelkurse, die sie jetzt im achten Jahr unterrichtet, sieht sie als Auslaufmodell. "Sie interessieren mich nicht mehr so", gesteht sie. "Die Kurse waren super besucht, aber den ganzen Tag jodeln und sprechen, ist wahnsinnig anstrengend für die Stimme, hinterher war ich tagelang heiser und lag da wie platt."

Bürgerantrag für Tiny Houses

Der Wolfratshauser Tiny-House-Aktivist Thorsten Thane und sein Verein "Einfach gemeinsam leben" haben inzwischen genügend Unterschriften für einen Bürgerantrag zusammen. Am 19. Januar wollen Thane und seine Mitstreiter die Liste an Bürgermeister Klaus Heilinglechner (Bürgervereinigung Wolfratshausen) übergeben. Ziel des Antrags ist es, den Wolfratshauser Stadtrat zu einer positiven Haltung zu sogenannten "Tiny Houses" zu bewegen. Die mobilen Minihäuschen, so die Argumentation der Antragsteller, sollen dabei helfen, auf ungenutztem Bauland neuen Wohnraum zu schaffen.

Um im Stadtrat einen Bürgerantrag einbringen zu können, müssen diesen ein Prozent der Wahlberechtigten unterzeichnen. In Wolfratshausen sind somit knapp 190 Unterschriften nötig. Der Verein "Einfach gemeinsam leben" hat bislang schon etwa 220 Unterschriften beisammen - will aber weiter sammeln, um seinem Anliegen noch mehr Nachdruck zu verleihen. Bei der Bäckerei Burger in Waldram und beim Unverpackt-Laden in der Wolfratshauser Marktstraße sind noch bis kommenden Samstag, 16. Januar, die Sammelboxen aufgestellt.

Er schätze die Chancen derzeit auf 60 zu 40, dass der Wolfratshauser Stadtrat positiv zu den Tiny Houses Stellung nehmen werde, so Thorsten Thane. Die Baugesetzgebung mache die Angelegenheit zwar wahnsinnig kompliziert. Dort werden die Minihäuschen derzeit noch wie Festbauten behandelt. Wenn man in großen Gärten und auf Enkelgrundstücken für zehn oder 15 Jahre solche Kleinwohnformen errichten dürfe, könnte aber auch das die Wohnungsnot etwas lindern, glaubt Thane. Dass man auf freien Grundstücken gerade aus diesem Grund deshalb besser groß und nicht ganz klein bauen sollte, ist für ihn dabei kein Gegenargument. Die von seinen Verein anvisierten Grundstücke lägen komplett abseits dieser Debatte, sagt Thane. Denn wenn eine Familie ein Enkelgrundstück für künftige Generationen vorhalte, dann könne sich der Stadtrat auch auf den Kopf stellen, "da steht dann auch in 20 Jahren noch kein Wolkenkratzer drauf", sagt er.

Florian Zick

Mit der Tiny-House-Bewegung hatte sie anfangs gar nichts am Hut. Aber als ihre beiden Kinder langsam erwachsen wurden, bekam sie das Gefühl nicht mehr los, in einem viel zu großen Haus zu leben, das vollgestopft war mit altem Zeug wie Möbeln, Teppichen, Bühnenklamotten, Büchern. "Ich hatte das Gefühl, dass ich viel zu viel besitze und gar nicht mehr durchblicke." Als sie eines Tages das Buch "Einfach Leben" in die Hand bekam, blieb sie an dem Foto eines heimeligen Holzhäuschens auf Rädern hängen. "Und da wusste ich, das ist es, so will ich leben." Ihren letzten Cent steckte sie in diese 140 000 Euro teure Luxusversion von einem Tiny House, mit dem sie dank Grünkläranlage und Solarpaneelen auch völlig autark irgendwo leben könnte.

Dass sie nun aber nicht idyllisch im Grünen, sondern im elterlichen Garten gelandet ist, ist eine bürokratische Realsatire mit Happy End, über die sie ein zweibändiges Buch geschrieben und im Eigenverlag herausgebracht hat: "Tinyhouse, Träume und Tatsachen". Denn der neue Wohnwaggon war schneller gekauft als ein legaler Standort gefunden war. Die in Bayern oder Österreich geplanten Minihaus-Siedlungen kamen wegen der vielen Vorschriften nicht recht voran.

Dann wiederum hatte sie zwar einen Baugrund zur Pacht gefunden, musste aber lernen, dass ihr rundliches Refugium mit Flachdach immer wieder an der Ortsgestaltungssatzung scheiterte, die nur viereckige Gebäude und Satteldächer zulässt. Bis sie auf die rettende Idee kam, das Tiny House bei sich daheim aufzustellen, als ganz legales Bauvorhaben samt Kanal- und Stromanschluss und den zwei vorgeschriebenen Stellplätzen.

Ihren Hausstand hat sie von 13 000 Sachen auf 1300 reduziert, um alles im kleinen Heim unterzukriegen. Den Rest hat sie verkauft, verschenkt, gespendet. "Mir fehlt es an nichts", beteuert die Künstlerin überzeugend. Und ihrer Bühnenlaufbahn weint sie auch nicht nach: "Ich lebe im Hier und Jetzt und genieße diese wunderschöne Blase des Nichts." Ein paar Songs habe sie während der Coronazeit geschrieben, ansonsten viel Sport gemacht. Für Lexa ist es an der Zeit, sich mal wieder neu zu erfinden. Es muss nicht mal mit Musik zu tun haben. "Ich bin offen für alles." Andere kommen mit dieser Ungewissheit nicht zurecht, sie stört das nicht weiter. "Bis jetzt hat mir das Leben noch jedes Mal etwas Neues beschert. Es wird mir wieder etwas zufliegen."

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Quelle:
SZ vom 11.01.2021
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