Tiere als Helfer:Wohlfühlfaktor Esel, Ziege und Geflügel

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Das Demenz Zentrum der Wolfratshauser AWO erhält einen Bundespreis für sein tiergestütztes Konzept - das Suley Hadziric maßgeblich vorantreibt.

Von Laura Geigenberger, Wolfratshausen

Ungewöhnlich mild sind gerade die Temperaturen für diese Jahreszeit. Suley Hadziric steht so auch nur in Jeans und einer roter Weste draußen, mitten im Tiergehege des Demenz Zentrums der Wolfratshauser Arbeiterwohlfahrt (AWO). Eine Ziege wuselt aufgeregt zwischen ihm und dem Zaun hin und her, die zwei kleinen struppigen Zwergesel jedoch drücken sich eher an ihn. Um einiges zahmer seien die beiden schon geworden, seit er mit ihnen arbeite, erklärt Hadziric. Denn anfangs seien die Esel namens Fritz und Carlo - in Frankreich aufgewachsene Wildfänge - sehr scheu gewesen und hätten sich erst daran gewöhnen müssen, überhaupt angefasst zu werden. Der Umgang des 36-Jährigen mit den Vierbeinern ist professionell - obwohl er eigentlich als Haustechniker bei der AWO angestellt ist.

2015 sei er eher zufällig bei der Arbeiterwohlfahrt gelandet, erzählt Hadziric. Nachdem er 15 Jahre lang als Hausmeister beim Beuerberger Golfclub tätig gewesen ist, hatte er aus familiären Gründen eine Stelle in Wolfratshausen gesucht. Dass er sich für die AWO entschieden habe, sei unter anderem auch den Tieren geschuldet gewesen, die das Seniorenzentrum in einem Außengehege hält. Aufgewachsen sei der gebürtige Bosnier auf einem Bauernhof und habe, nachdem er als Zehnjähriger vor dem Bosnien-Krieg nach Deutschland geflüchtet war, ebenfalls auf einem Landgut gelebt. "Für mich gehören Tiere einfach zum Haushalt dazu", sagt er.

Die Versorgung der zwei Ziegen- und Esel-Pärchen sowie der Laufenten, Gänse und Hühner sind allerdings nur ein kleiner Teil von Hadzirics täglicher Arbeit. Primär sei er für das "Facility Management", sprich die Reparaturen, Wartungsarbeiten und alle Dienste am AWO-Zentrum, zuständig. Er trage also die Verantwortung dafür, dass in den Innen- und Außenanlagen, im Garten, im Tierstall, dem Pflegeheim sowie den Wohnungen mit 68 stationären Gästen stets alles funktioniere. Doch auch wenn deshalb im Laufe seiner 39-Stunden-Woche "eine kleine Million" Arbeiten anfallen, so Hadziric, sei es ihm ein persönliches Anliegen, sich immer ausreichend Zeit für die Tiere zu nehmen. "Zum Dienstbeginn um sieben Uhr kommen die Tiere als Erstes: Ich checke die Lage, schaue, ob es ihnen gut geht, putze das Gehege, füttere sie und kümmere mich alle zwei bis drei Tage um Fell- und Hufpflege", erläutert der Haustechniker. "Danach versuche ich, mich viel mit ihnen zu beschäftigen und sie zu bespielen, damit sie zahmer werden. Vor allem bei den Eseln gilt: Je mehr Zeit und Routine sie bekommen, desto besser." Das große Ziel sei es, mit Fritz, Carlo und den dementen Patienten gemeinsame "Eselspaziergänge" in der Stadt unternehmen zu können.

Heimleiter Dieter Käufer erklärt, dass die Einbindung von Tieren in der Arbeit mit Demenzerkrankten bereits seit Langem zum Konzept der AWO Wolfratshausen gehöre. "Wir befinden uns hier im ländlichen Raum", sagt er. Ähnlich wie für Hadziric stelle der Umgang mit Tieren daher "für diese Heim-Generation oft ein Stück Alltag und Heimat" dar und sorge spürbar für einen Wohlfühlfaktor bei den Patienten.

"Auffällig ist schon, dass die Senioren viel mehr Zeit draußen verbringen, seit die Esel da sind", bemerkt auch Hadziric, der sonst als Haustechniker wenig mit den Bewohnern in Kontakt kommt. "Es ist wirklich schön zu sehen, wie sie auf der Bank sitzen und den Eseln und Ziegen zusehen." Der Erfolg des tiergestützen Konzepts der AWO sei, so Käufer, auch der Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen, Qualitätsentwicklung und Aufsicht (FQA) des Landratsamts nicht entgangen. "Das FQA hat uns letztlich zu einer Bewerbung auf den Geras-Preis geraten", so der Heimleiter. Mit der Auszeichnung, benannt nach der Personifikation des Alters in der griechischen Mythologie, prämierte die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen heuer Pflegeeinrichtungen und -initiativen, die durch ihre Arbeit mit Tieren zu einer verbesserten Lebensqualität ihrer Bewohner beitragen. 71 Vorschläge waren eingereicht worden. Mit der Begründung, dass die Tiere "vorbildlich" in den Alltag einbezogen seien und auch Bettlägerigen das Erleben der Tiere im Garten ermöglicht werde, zählte im Oktober die AWO Wolfratshausen zu den Preisträgern. "Und das haben wir Leuten wie Suley Hadziric zu verdanken", sagt Käufer.

Daher sei nach der Preisverleihung in Bonn auch noch eine interne Feier organisiert worden: um Hadziric und drei weitere Helfer - Alicia Koch, Kamil Scheibler und Angelika Kassner - zu würdigen. Hadziric winkt indes bescheiden ab. "Natürlich ist es auch eine Anerkennung meiner Arbeit. Aber vor allem bedeutet der Preis dem gesamten Haus viel. Immerhin arbeiten hier alle tagtäglich daran, dass es sowohl Tieren als auch Bewohnern gut geht." In gewissem Sinne kommen die 5000 Euro, mit denen der Preis dotiert ist, trotzdem ihm zugute: Die AWO möchte in einen neuen, automatisierten Hühnerstall investieren. Hadziric lächelt voller Vorfreude. "Das macht die Handhabung in Zukunft viel einfacher." Zur Preisvergabe in Bonn sei er selbst aber nicht gereist - schließlich "musste sich ja jemand um die Tiere kümmern."

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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