THW übt Katastrophenschutz:Koordination im Chaos

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Cool trotz Krise: Das THW hat in Geretsried eine Großübung abgehalten, in der insbesondere die Kommunikation in einer Katastrophenlage im Fokus stand. (Foto: Harry Wolfsbauer)

150 Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks aus ganz Bayern simulieren in Geretsried eine Hochwasser-Katastrophe und testen ihre Kommunikationssysteme.

Von Tim Jost, Geretsried

Zahlreiche Einsatzwägen des Technischen Hilfswerks (THW) stehen quer über das Gelände der Feuerwehrschule in Geretsried verteilt, die Einsatzkräfte verlegen Kabel und koordinieren die Aufgaben: 150 Retter aus ganz Bayern haben an diesem Wochenende für den Ernstfall geübt und anhand einer simulierten Hochwasser-Katastrophe die Führungs- und Kommunikationsfähigkeiten des Technischen Hilfswerks auf die Probe gestellt.

Die Stimmung an diesem Samstag ist locker, dennoch versuchen alle Beteiligten, die jeweils gestellte Aufgabe zu meistern. Viele der insgesamt 150 Anwesenden hatten eine weite Anreise: Freiwillige von elf verschiedenen Regionalverbänden aus ganz Bayern sind dazu nach Geretsried gekommen. Einige übernachten in Feldbetten auf dem Übungsgelände, um die Situation so realitätsgetreu wie möglich zu proben.

Doch welche Aufgaben haben die Mitglieder der Fachzüge Führung und Kommunikation überhaupt? Michael Seestaller, Zugführer in Geretsried, erklärt, wie die Abläufe der Führungsgruppe koordiniert werden. Die Fachzüge Führung und Kommunikation seien bei Einsätzen mit komplexen Schadenslagen mit extremen Ressourcen- und Personalaufwand vonnöten. „Sie schaffen die technischen und personellen Voraussetzungen, um die Lage zu bewerten und die benötigten Kräfte einzusetzen“, sagt Seestaller.

Michael Seestaller gibt eine Übersicht über den Übungsplan. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Fachzüge Führung und Kommunikation unterteilen sich in Gruppen, die allesamt verschiedene Aufgaben wahrnehmen. Der Zugtrupp ist für die Bewertung der Schadenslage zuständig und entscheidet über den Umfang des Einsatzes. Das Stabspersonal strukturiert das Geschehen, führt die Einsatzkräfte und kommuniziert mit übergeordneten Führungsstellen. Die Fachgruppe Führungsunterstützung richtet die Führungsstelle ein und kümmert sich und deren Funktionstüchtigkeit. Eine besonders wichtige Aufgabe kommt laut Seestaller der Fachgruppe Kommunikation zu: Da in Katastrophenfällen häufig die Kommunikationsmöglichkeiten eingeschränkt seien, kümmere sich die Gruppe um den Aufbau kabelloser Netze zur Sprach- und Datenübertragung.

Am Wochenende muss das THW im fiktiven Übungsszenario gegen das „Sturmtief Ilse im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen“ ankämpfen. Hierbei kommt es durch starken Regen zu einem steigenden Wasserpegel der Isar. Dies resultiert in einem fiktiven Hochwasser in Geretsried, das wiederum eine Gefahr für die Bevölkerung darstelle. Ziel der Übung ist es, ein reibungslos funktionierendes Kommunikationsnetz herzustellen, den Einsatz zu koordinieren und das theoretisch benötigte Personal einzusetzen. Ebenso müssen die Leitkräfte entscheiden, welche Ressourcen zur Bekämpfung des Hochwassers eingesetzt werden sollen. Bei der Übung entschied sich das Stabspersonal für die Verwendung von Sandsäcken und Deichbauten.

Technik bis unters Dach: die Ladung des Fernmeldekraftwagens. (Foto: Harry Wolfsbauer)
Dieser mobile MastKW (Mastkraftwagen) dient aufgebaut als Sendemast. (Foto: Harry Wolfsbauer)

„Wir sind froh darüber, dass wir hier ein sehr gutes Setting haben“, sagt Seestaller. „Der Standort der Feuerwehrschule bietet die Möglichkeit, die Übung im Stadtgebiet durchzuführen, ohne die Einwilligung der Anwohner einholen zu müssen.“ Das Szenario des Übungsfalles sei von Mitgliedern des THW in wochenlangen Bemühungen erarbeitet worden. Deshalb hofft der Zugführer der Geretsrieder Gruppe, dass alles reibungslos funktioniert. „Die Übung ist erfolgreich abgeschlossen, wenn die interne Kommunikation eingerichtet ist und die Koordination des Einsatzes gelingt“, sagt Sven Schirmer, Ausbildungsleiter des THW in Geretsried.

Bei einer Führung über das Übungsgelände der Feuerwehrschule gibt Seestaller einen Überblick über die verschiedenen Fahrzeuge des THW, die im Katastrophenfall eingesetzt werden. In einigen Fahrzeugen gibt es technisches Material, das der Errichtung der Kommunikationsnetzwerke dient. Weitergehend bieten andere Fahrzeuge Ressourcen, um das Ausmaß einer Katastrophe einzudämmen und die Arbeit des THW zu erleichtern. Beispielsweise können die Einsatzkräfte mit Holzvorrichtungen das Befahren von betroffenen Gebieten ermöglichen. Außerdem gibt es Fahrzeuge, aus denen die Einsatzleitung die Hilfskräfte koordiniert: „Wir sind sehr stolz auf unsere mobile Führungsstelle, die mittlerweile bis zu fünf Arbeitsplätze zur Leitung des Einsatzes bietet.“ Hier gebe es auch eine Kaffeemaschine, die gerade bei längeren Einsätzen des THW für die Einsatzkräfte wichtig sei, um die Energie und Arbeitsleistung der Kräfte aufrechtzuerhalten.

Wofür ist das THW eigentlich genau zuständig? Frank Simon vom Landesverband Bayern gibt bei der Führung einen generellen Überblick über die Tätigkeiten und Organisationsstruktur des THW. Für das THW ist eine Behörde des Bundesministeriums des Inneren, für Heimat und für den Zivil- und Katastrophenschutz zuständig. Die Gruppierung ist in 668 Ortsverbänden organisiert und überregional einsetzbar. Beispielsweise wurden bei der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal Einsatzkräfte aus ganz Deutschland eingesetzt. 98 Prozent der Mitglieder arbeiten ehrenamtlich beim THW, insgesamt sind mehr als 90 000 Personen aktiv. „Die Ehrenamtlichen wollen helfen und unterstützen“, sagt Simon.

Rettungskräfte aus ganz Bayern waren am Start. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Zu den Aufgaben des THW zählen die Bekämpfung von Katastrophen, öffentlichen Notständen und Unglücksfällen größeren Ausmaßes. Ebenso stehen Einsätze und Maßnahmen im Ausland auf dem Programm. Dazu muss das THW im Auftrag der Bundesregierung eingesetzt werden. Im Ernstfall gilt es für die Einsatzkräfte dann je nach Einsatz, Brandschutt zu räumen, Bauwerke abzustützen, eine notfallmäßige Strom- und Trinkwasserversorgung zu errichten und Transportleistungen zu erbringen. Weitergehend bietet das THW eine Führungsunterstützung bei Notlagen. Genau diese wurde beim Übungsszenario in Geretsried geprobt.

Am Standort Geretsried gebe es momentan etwa 45 aktive Mitglieder des THW, sagt Sven Schirmer. Die Anzahl der Einsätze seien unterschiedlich, normalerweise gebe es zwischen fünf und zehn Fälle im Jahr. Zum Abschluss der Führung betont Michael Seestaller: „Wir üben hier, um für den Ernstfall vorbereitet zu sein. Wir hoffen natürlich, dass solche Einsätze so selten wie möglich vorkommen.“

 

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