Bad Tölz:Wo Thomas Mann in Bayern Urlaub machte

Bad Tölz: "Herrensitzchen" nannte die Familie Mann liebevoll ihre Villa an der Heßstraße.

"Herrensitzchen" nannte die Familie Mann liebevoll ihre Villa an der Heßstraße.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Landsitz in Bad Tölz ist die einzige original erhaltene Villa von Thomas Mann. Von den Einheimischen hielt sich der Schriftsteller fern. Nun widmet ihm die Stadt ein Festprogramm.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Die Villa liegt hinter einem baumbestandenen Garten an der Heßstraße. Ein ruhiger, abgeschiedener Ort in Bad Tölz. 1908 hatte Thomas Mann mit seiner Familie zum ersten Mal den Sommerurlaub in der Kurstadt verbracht, wo es allen dermaßen gut gefiel, dass sich der Schriftsteller im Jahr darauf einen Landsitz für die Ferienaufenthalte bauen ließ. Wenn Besuch kam oder der berühmte Vater am Schreibtisch saß, mussten die Kinder Erika und Klaus, später Golo und Monika auch dort seinem strengen Ruhegebot folgen.

Ansonsten aber erlebten sie schöne Ferien: Klaus lernte in den Armen seiner Mutter Katia das Schwimmen im Klammerweiher, winters rodelte er mit seinen Geschwistern den Abhang an der Villa bis zur Isar hinunter. "Wenn ich an Kindheit denke, denke ich an Bad Tölz", schrieb Klaus Mann in seinem Buch "Kind dieser Zeit". Vor genau hundert Jahren gab die Familie ihr "Herrensitzchen" auf, wie sie es liebevoll nannte. Grund genug, 2017 ein Thomas-Mann-Jahr in Tölz zu feiern.

Das Landhaus sei im deutschsprachigen Raum "das einzige, original von Thomas Mann errichtete Haus, das es noch gibt", sagt Christof Botzenhart, Dritter Bürgermeister und stellvertretender Vorsitzender des Historischen Vereins, der zusammen mit dem Stadtmuseum und dem Stadtarchiv des Gedenkjahr veranstaltet.

Die Villa Poschinger in München wurde abgerissen, das Buddenbrooks-Haus in Lübeck von seinen Großeltern gebaut. Deshalb sei die Tölzer Villa "ein echtes Pfund, mit dem man wuchern kann", findet Botzenhart. Errichtet wurde sie von Hugo Röckl, einem Neffen des Münchner Baumeisters Gabriel von Seidl, der das Bild von Bad Tölz maßgeblich geprägt hat.

Für die Feierlichkeiten ist Botzenhart ein Coup gelungen. Die Deutsche Thomas-Mann-Gesellschaft aus Lübeck wird zu ihrer dreitägigen Jahrestagung im September ins Tölzer Kurhaus kommen. "Wir rechnen mit circa 200 Besuchern", sagt Botzenhart. Das Symposium soll sich vor allem um das Frühwerk des Literatur-Nobelpreisträgers drehen, "passend zu der Zeit, als er in Tölz war".

Zupass kam dem stellvertretenden Vereinsvorsitzenden und Studiendirektor am Gymnasium Geretsried, dass er als Student für Professor Ruprecht Wimmer von der Katholischen Universität Eichstätt gearbeitet hat, dem ehemaligen Präsidenten der Thomas-Mann-Gesellschaft.

"Es ist eine der größten deutschen Thomas-Mann-Sammlungen, die wir kriegen"

Über ihn stellte er den Kontakt nach Lübeck her, wo er kaum Überzeugungsarbeit leisten musste. "Man hat sich interessiert gezeigt, mal nicht in Lübeck zu tagen, und Bad Tölz in Augenschein genommen." Zwei Abgesandte der Gesellschaft fuhren in den tiefen Süden, besichtigten die Lokalitäten und besprachen die geplante Tagung mit Botzenhart. Mit am Tisch saß auch die Tourist-Information, die "da wirklich toll unterstützt hat".

Neu aufgelegt wird 2017 das Buch "Nicht auf der Rasenkante gehen! - Die Familie Mann und ihr Landhaus in Bad Tölz 1908-1917" von Daniel Lang. Die enthält eine Dokumentation von Dirk Heißerer und Martin Hake. Die erweiterte Neuausgabe, die im April herauskommen soll, sei fast doppelt so umfangreich wie die alte, die vergriffen sei, so Botzenhart. Unter anderem bietet sie Briefwechsel wie jenen zwischen Thomas Mann und Bürgermeister Alfons Stollreither.

Dem Schriftsteller war das Grundstück für sein "Herrensitzchen" zu klein, weshalb er nach Osten hin Grund dazukaufte und einen Spazierweg verlegen lassen wollte - was dann auch geschah. Dirk Heißerer, Vorsitzender des Thomas-Mann Forums München, sei ein "unglaublicher Experte" und habe bereits Stadtführungen auf den Spuren des Dichters in Tölz geleitet, sagt Botzenhart. Martin Hake arbeite seit Jahren enorm fleißig die Lokalgeschichte rund um Thomas Mann auf. Er wird die Ergebnisse seiner Arbeit am Dienstag, 14. März, präsentieren.

Dies ist sozusagen der vorverlegte Start für die Vortragsreihe, die sich dann von April bis November im Historischen Sitzungssaal des Stadtmuseums anschließt. Dort soll am Mittwoch, 5. April, aber erst einmal die Eröffnungsfeier für das Jubiläumsjahr stattfinden, mitgestaltet von der Musikschule. Es sei denn, es kommen zu viele Leute: "Dann werden wir vielleicht in den Bürgersaal des Museums ausweichen", sagt Botzenhart. Immerhin sei Thomas Mann immer noch sehr populär, "das glaubt man gar nicht". Er hofft, dass all die Veranstaltungen auch Publikum aus München, Starnberg und dem Tegernseer Tal nach Tölz locken.

Dazu zählen unter anderem Ausstellungen im Stadtmuseum. Von Mai bis zum November will Leiterin Elisabeth Hinterstocker Erstveröffentlichungen der Werke von Mann zeigen. "Es ist eine der größten deutschen Thomas-Mann-Sammlungen, die wir kriegen", sagt sie. Damit die Bücherschau nicht staubtrocken wirkt, soll auch die Biografie des Dichters eingebaut und überhaupt "Lust aufs Lesen, auf neuere deutsche Literatur" geweckt werden.

Literatur, Kunst und Kulinarisches

Vorgesehen ist außerdem eine Ausstellung von zeitgenössischen Künstlern, die Themen um den Schriftsteller aufgreifen. Der Lyriker und Erzähler Albert Schirnding wirft unter dem Titel "An amazing family" einen Blick auf die Manns im Spiegel ihrer Briefe. Der Engländer Kevin Perryman trägt in einem "Verhör der Stille" Gedichte aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor.

Gerd Holzheimer befasst sich in einem Vortrag mit der Geburt der Avantgarde im Münchner Künstlermilieu zur Zeit von Thomas Mann. Und schließlich soll es noch einen Liederabend mit dem Arbeitstitel "Adrian Leverkühn - Begegnung mit dem deutschen Kunstlied" geben.

Eine Besonderheit im Stadtmuseum, dürften die Lithographien von Hermann Ebers sein. Von seinen biblischen Darstellungen soll Thomas Mann zu seiner Tetralogie "Josef und seine Brüder" inspiriert worden sein. In ihnen schwinge "ein bisschen was Homoerotisches mit, das dürfte ihm gefallen haben", meint Hinterstocker. Ansonsten sieht sie Ebers "als nicht sonderliche begnadeten" Künstler der damaligen Münchner Salons. Botzenhart kommt zu einem anderen Urteil: "Er war ein bedeutender Grafiker und Zeichner."

Im Gedenkjahr für den großen Schriftsteller gibt es in Tölz jedoch nicht bloß Literatur und Kunst. Auch Kulinarisches steht auf der Speisekarte der Feiern: Der Tölzer Mühlfeldbräu möchte ein eigenes Thomas-Mann-Bier brauen. Andreas Binder, Wirt des Binderbräus, will seinen Gästen ein Menü mit Gerichten vorsetzen, die der berühmte Dichter in seinen Romanen beschrieben hat.

Es besteht aus einer grünen Kräutersuppe mit Erbsen aus dem Hauskochbuch der Familie Mann, einem Kalbsragout mit gehackter Tomate in Weißweinsud ("Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull"), einer Polenta ("Doktor Faustus") und einem Maraschino-Pudding ("Buddenbrooks"). Mit den Rezepten hat Binder keine Probleme. "Es ist ja alles sehr detailgenau beschrieben", sagt er.

Thomas Mann und Bad Tölz - trotz Villa und Urlaub verband den Schriftsteller mit der Kurstadt eine eher distanziertes Verhältnis. Die Familie habe sich von den Einheimischen ferngehalten, sagt Hinterstocker. Mit einer Ausnahme: Die Großmutter der Familie Mehlstäubl, die den Blumenladen an der Ludwigspromenade betreibt, habe als Hausbesorgerin und Köchin für sie gearbeitet.

Mit Katia Mann habe sie zeitlebens "eine herzliche Freundschaft" verbunden, wie Briefe und ein signiertes Buch zeigten, so die Museumschefin. Und Bad Tölz? Lediglich einen schmalen Spazierweg am Klammerweiher hat die Stadt nach ihrem berühmten Urlaubgast benannt. Botzenhart findet das in Ordnung. Der Weg liege landschaftlich sehr schön, sagt er. "Besser als eine unattraktive Straße in einem Gewerbegebiet."

Das Programm

Im Thomas-Mann-Jahr veranstaltet der Historische Verein Bad Tölz zusammen mit dem Stadtmuseum und dem Stadtarchiv eine Vortragsreihe, die sich um die großen Werke des Literatur-Nobelpreisträgers dreht. "Darin geht es aber nicht immer um Tölz", stellt Organisator Christof Botzenhart klar. Zum Auftakt referiert Professor Hans Wißkirchen aus Lübeck, Präsident der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft, über das Thema "Weltliteratur aus Lübeck - Thomas Manns Buddenbrooks". Der Vortrag findet am Dienstag, 25. April, statt. Mit dem Thema "Zwischen Ost und West - die politische Raumordnung in Thomas Manns Zauberberg" befasst sich Professor Friedhelm Marx aus Bamberg, Vizepräsident der Thomas-Mann-Gesellschaft, am Dienstag, 9. Mai. Über die "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull", den letzten Roman des berühmten Dichters, spricht Holger Pils aus München unter dem Titel "Abschied mit Augenzwinkern" am Dienstag, 27. Juni. Pils ist Geschäftsführer der Stiftung Lyrik Kabinett und Vorstandsmitglied der Mann-Gesellschaft. Um die Novelle "Der Tod in Venedig" geht es am Dienstag 18. Juli. Dirk Heißerer, Vorsitzender des Thomas-Mann Forums München, setzt sich damit in seinem Vortrag "Die Masken des Gustav von Aschenbach" auseinander. Nach der Sommerpause kommt Professor Ruprecht Wimmer aus Eichstätt am Dienstag, 17. Oktober, nach Bad Tölz. Der ehemalige Präsident der Mann-Gesellschaft widmet sich dem Thema: "Thomas Manns lebenslanges Plädoyer für die deutsche Kultur und sein kritischer Bilanzroman Doktor Faustus". Den Schlusspunkt setzt Dirk Heißerer am Dienstag, 14. November. Unter dem Titel "Musische Verschmelzungen" referiert er über die Josephs-Litographien von Hermann Ebers aus dem Jahr 1922 als Anregung für die Roman-Tetralogie "Joseph und seine Brüder".

Alle Vorträge finden im Historischen Sitzungssaal des Tölzer Stadtmuseums statt. Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei. sci

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