Thema "Flucht":Hungerstreik und Heimatvertriebene

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Der Geretsrieder Schriftsteller Günter Wagner macht auf Parallelen zwischen heute und damals aufmerksam.

Von Felicitas Amler

Vertriebenenschicksale haben Günter Wagner zu seinem neuen Stück "Flucht" angeregt. Die hungerstreikenden Asylsuchenden unterstützt er. (Foto: Hartmut Pöstges)

Günter Wagner weiß, dass es "reine Glückssache" ist, wenn man von Hunger, Elend, Unterdrückung oder Folter verschont ist und sich keine Gedanken über Flucht zu machen braucht. "Wir haben das Glück der richtigen Geburt am richtigen Ort zur richtigen Zeit." Der Geretsrieder Kabarettist und Schriftsteller befasst sich seit einigen Monaten intensiv mit dem Thema Flucht. Unter diesem Titel soll sein nächstes Theaterstück stehen, das auf dem Geretsrieder Kulturfestival 2014 Premiere haben wird.

Am Mittwoch war Wagner bei den Asylsuchenden, die am Münchner Rindermarkt mit einem Hungerstreik gegen die harte bayerische Linie im Umgang mit Flüchtlingen protestieren. Mit zwei der Hungernden habe er sich unterhalten, mühsam freilich, nicht nur wegen Sprachschwierigkeiten, sondern auch weil die Leute schon sehr geschwächt gewesen seien. Wager sieht den Hungerstreik ambivalent.

Er unterstütze die Ziele der Asylsuchenden ausdrücklich und finde es auch nötig, dass sie auf ihre elende Lage in Sammelunterkünften aufmerksam machen. Er sagt aber auch: "Es würde mich wirklich wundern, wenn es etwas bewirkt." Man habe das ja an den Äußerungen der bayerischen Sozialministerin gesehen, meint er. Christine Haderthauer (CSU) hatte harsch abwehrend auf den Hungerstreik reagiert. Dass diese Ministerin sich sozial nennen dürfe, findet der Geretsrieder "fast schon frech".

Mit anderen, die schlecht über Asylsuchende sprechen, ist Wagner nachsichtiger und wirbt bei ihnen um Verständnis. Als er jemandem von seinem Besuch bei den Hungerstreikenden erzählte, sagte der: "Die Flüchtlinge sollen doch froh sein, dass sie hier sein dürfen." Dergleichen höre man oft, sagt Wagner, viele Leute wüssten einfach nicht, worum es gehe.

Er habe dem Mann also erklärt, dass Asylbewerber Schreckliches hinter sich haben, dann oft eine horrende Flucht durchmachen und schließlich hier - "in unserem satten Land" - zur Unnützlichkeit verdammt seien. Wenn er so spreche, komme bei seinem Gegenüber meist eine Einsicht. Manchmal sage er auch noch, man solle sich doch einmal ausmalen, wovor man selbst flüchten würde: "Stell dir vor, hier würden sich marodierende Faschisten breit machen . . ."

Oder Wagner erinnert an die Geschichte - die seiner Stadt Geretsried, die nach dem Zweiten Weltkrieg von Flüchtlingen aufgebaut wurde. Den Vergleich zu heutigen Asylbewerbern lehnen freilich viele ehemals Heimatvertriebene ab. Ja, sagt Wagner, aber im Prinzip sei es doch das gleiche Schicksal. Er jedenfalls ist durch ein Buch über Vertriebene zu seinem neuen Stück angeregt worden. Beim Lesen habe er sich gefragt: "Was wäre aus Geretsried geworden, wenn die Flüchtlinge damals so behandelt worden wären wie die Asylbewerber heute?"

Günter Wagner, 52, ist aktuell als Leiter des Flussfestivals Wolfratshausen engagiert. Er ist Kabarettist und hat im vergangenen Jahr mit "Aufstand" einen großen Erfolg auf dem Geretsrieder Kulturfestival erzielt, dessen Leiter er ebenfalls ist. Sein Stück "Flucht" wird auf diesem Festival im Jahr 2014 (3. bis 12. Oktober) uraufgeführt. Konstantin Wecker wird dazu, wenn ihm der Text gefällt, wieder die Musik schreiben.

© SZ vom 28.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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