Theater:Packende "Räuber"

Theater: Finn Sauer brilliert als Karl Moor in der Aufführung von Schillers "Räuber" an der Max-Rill-Schule.

Finn Sauer brilliert als Karl Moor in der Aufführung von Schillers "Räuber" an der Max-Rill-Schule.

(Foto: Coletta Ehrmann/oh)

Aufführung an der Max-Rill-Schule zeigt, dass Schillers Stück heute ebenso aktuell ist wie 1782

Von Petra Schneider, Reichersbeuern

In den 13 Jahren, in denen Nikolaus Frei Regie führt, hat sich der Theaterkurs der Max-Rill-Schule einen Ruf als exzellentes Schülertheater erarbeitet. Zum ersten Mal hat er sich heuer einen Klassiker vorgenommen: "Die Räuber" von Friedrich Schiller. Eine gute Wahl, denn Schillers 1782 uraufgeführtes Schauspiel kann auch junge Menschen im Jahr 2017 begeistern, wie sich bei der gut besuchten Premiere am Donnerstag zeigte.

Die Schauspieler der Ober- und Mittelstufe agieren mit Leidenschaft und Einfühlungsvermögen. Das Tempo ist hoch bei dieser mitreißenden Aufführung, die mit Musik, Videoeinblendungen und einem reduzierten Bühnenbild modern inszeniert wurde. Zeitgemäß, aber behutsam - denn das Schiller'sche Grundthema, die Frage nach der Freiheit und ihren Grenzen, wird von den jungen Leuten überzeugend herausgearbeitet. Viele zeitlose Fragen lassen sich bei Schiller finden: Geschwisterrivalität und Generationenkonflikt, Liebe und Männerfreundschaft, Selbstverwirklichung und Moral - vor allem aber geht es um die Freiheit.

Unerhört rau ist der Ton dieses Stückes, seine Protagonisten sind kraftstrotzende Originalgenies, ganz nach dem Zeitgeschmack des Sturm und Drang. Sie wettern gegen das "schlappe Kastratenjahrhundert", das die gesunde Natur mit "abgeschmackten Konventionen" verrammelt. "Fallen in Ohnmacht, wenn sie eine Gans bluten sehen, und klatschen in die Hände, wenn ihr Nebenbuhler bankerott von der Börse geht." So weit Schiller, der 22 Jahre alt war, als er den Fünfakter schrieb. Die gesellschaftlichen Konventionen haben an Verbindlichkeit verloren, gewachsen ist die Unsicherheit. In einer Vorrede des Vaters Graf von Moor (Elias Bosch) schlägt Regisseur Frei, der auch die Textfassung geschrieben hat, die Brücke ins Heute: "Überforderung", das sei das Kennzeichen moderner Befindlichkeit. Komplexer werdende politischen Probleme, Digitalisierung, die Vorherrschaft ökonomischer Sichtweisen. "Die Menschen haben die Kontrolle verloren, Staaten ihre Außengrenzen, etablierten Parteien entwischen die Wähler", heißt es in der Vorrede.

Die beschleunigte Welt findet ihr Spiegelbild im Theaterstück: Videoeinblendungen in rasenden Sequenzen - Megacitys, Müllberge, Massentierhaltung. Die Wirklichkeit - ein Videoclip, unterlegt mit der passenden Musik: Zu den Auftritten der tugendhaften Amalia (Sophia Sigl) wird leitmotivisch das verträumte "Streets of London" eingeblendet, bei den Räubern harte Rockmusik. In die Schiller'schen Dialoge mischt sich Jugendsprache. "Ich bin so unglücklich, dass mir mein Leben scheißegal ist", bricht es etwa aus Karl (Finn Sauer) heraus. "Lotterbube" schimpft Amalia den intriganten Franz (Christian Wolf), um noch ein "Oberpussy, Oberspasti" draufzulegen. Aus der von Franz angezettelten Briefintrige werden mediale Fake-News; in einer Einspielung hat Ex-Fokus-Chef Helmut Markwort einen kurzen Auftritt. Er ist auch Gast bei der Premiere, weil sein Enkel Lenny Markwort den willfährigen Diener Hermann spielt. Die Räuberbande, die Karl Moor um sich schart, hat nichts von Robin-Hood-Romantik. In Camouflage-Klamotten, mit Knarren und Patronengürteln wirken sie wie eine Terrorbande, die ihre verbrecherischen Taten krude rechtfertigt. "Ich habe auch Gutes getan", sagt Karl. "Fette Bosse gekillt".

Die beiden Hauptdarsteller spielen ihre Rollen mit viel Temperament und Feuer: Christian Wolf gibt den Franz als skrupellosen Zyniker, der sich das väterliche Erbe und die Geliebte seines Bruder mit Gewalt ertrotzen will. Karl, eine verirrte große Seele, überantwortet sich am Ende der weltlichen Gerichtsbarkeit und stellt so die "misshandelte Ordnung" wieder her. Finn Sauer gelingen die inneren Kämpfe Karls überzeugend, seine Gewissensqualen, die auch in einem selbstvergessenem Techno-Tanz ohne Worte transportiert werden. Szenenwechsel gibt es nicht, ein Bühnenbild genügt: Hölzerne Treppen und Würfel ermöglichen das Spiel auf verschiedenen Ebenen. Metallstangen, die wie kalte Baumgerippe wirken, werden zum Böhmischen Wald, in dem sich die Räuber verschanzen. Über die Uraufführung am 13. Januar 1782 in Mannheim berichteten Zeitzeugen von chaotischen Szenen: heisere Aufschreie im Zuschauerraum, schluchzende Menschen, Frauen, die einer Ohnmacht nahe gewesen seien. Bei der Premiere am Donnerstag bleiben Ohnmachten zum Glück aus. Dafür gibt es Bravorufe und lange anhaltenden, verdienten Applaus.

Weitere Aufführungen am 21. und 22. Oktober, jeweils 19.30 Uhr, Max-Rill-Schule, Schlossweg 1-11, Reichersbeuern

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