Interview:"Die Kultur wird wieder blühen"

Interview: "Das Singen hat uns durch die schwere Zeit getragen": Andrea Fessmann, hier bei einem Workshop im Kloster Benediktbeuern.

"Das Singen hat uns durch die schwere Zeit getragen": Andrea Fessmann, hier bei einem Workshop im Kloster Benediktbeuern.

(Foto: Manfred Neubauer)

Andrea Fessmann hat in den vergangenen drei Jahren Außergewöhnliches erlebt - und blickt optimistisch in die Zukunft.

Interview von Stephanie Schwaderer, Iffeldorf

Andrea Fessmann, Sängerin, Lehrerin für Alexandertechnik, Chorleiterin und Veranstalterin aus Iffeldorf, wurde im Sommer 2021 für ihr großes Engagement mit einem Tassilo-Hauptpreis ausgezeichnet.

SZ: Frau Fessmann, singt Christian Springer mittlerweile in einem Ihrer Chöre? Sie wollten ihn bei der Preisvergabe ja gleich dazu verpflichten.

Andrea Fessmann: Nein (lacht), da sind wir noch dran.

Mit welchem Gefühl denken Sie heute an das Tassilo-Fest zurück?

Für mich war es wie Weihnachten. Man bekommt etwas geschenkt. Ich hab mich so darüber gefreut! Und die Feierlichkeiten im Künstlerhaus waren nach den langen Corona-Monaten gleich wie ein doppeltes Weihnachten. Ein toller Abend mit vielen schönen Begegnungen.

Haben sich für Sie - abgesehen von Christian Springer - neue Kontakte ergeben?

Ja, wir stehen mit der Gehörlosenschule in München in Kontakt und würden gerne einmal zusammen etwas auf die Beine stellen. Der Gebärden-Chor hat mich sehr beeindruckt, das ist für mich auch ein ganz neues Feld. Abgesehen davon fand ich es Klasse, einmal mit so viel unterschiedlichen Kulturschaffenden einen Abend zu verbringen. Zu sehen, was die Leute alles schaffen und machen: Ach, so was gibt's! Und so was gibt's auch! Ich hätte gerne noch ein, zwei Stunden zuhören können.

Ihr Preisgeld in Höhe von 2000 Euro haben Sie gleich noch im Sommer investiert, unter anderem für Beethovens Neunte unter freiem Himmel...

Ja, das war ein Traum! Da sprechen noch heute viele davon. Vor Corona wäre es sicher auch schön gewesen, aber so war es fast ein Wunder: Die Kühe, die Schwalben, der Sonnenuntergang, und dann mit 180 Leuten auf der Wiese stehen und "Freude, schöner Götterfunken" singen. Das war unglaublich.

Unter Wunder könnte man auch das Weihnachtsoratorium stellen, das Sie kurze Zeit später im September mit dem Iffeldorfer Klangkunst Chor aufgeführt haben.

An der Stelle haben mich alle für verrückt erklärt: Jetzt spinnt sie komplett! Aber sie haben mitgemacht. Leider hat es die Vorstellung dann fürchterlich verregnet. Gerade als ich die Schlafe-Arie für das neugeborene Christkind gesungen habe, brach über dem Kloster ein Gewitter los. Mit dem letzten Ton hat es zu schütten begonnen und wir sind ins Haus geflüchtet. Im Dezember, als wieder keine Konzerte möglich waren, konnte ich dann aber sagen: Seht ihr, wir haben es gut gemacht. Außerdem war es ein Ereignis, das in Erinnerung bleiben wird - wie vieles aus der Corona-Zeit.

Wie haben die drei vergangenen Jahre die Kulturlandschaft verändert?

Die ganz großen Stars und Orchester und Chöre sind noch alle da. Aber aus dem mittleren Bereich der Freischaffenden sind viele gute Leute verschwunden. Da gab es dramatische Schicksale, viele haben umgeschult. Aber seit ein paar Wochen habe ich den Eindruck, dass wieder viel passiert, womöglich mehr denn je. Die Konzertsäle im Dezember waren voll, das Publikum sehnte sich nach Musik. Ich hoffe, dass das anhält.

Wie sieht es bei den Chören aus?

Die Leitung des Lassus Chores habe ich vor einem Jahr niedergelegt. Aber der Iffeldorfer Klangkunst-Chor boomt. Wir sind mehr als hundert Leute und mussten jetzt sogar eine Warteliste anlegen. Die Stimmung ist richtig gut. Das Singen hat uns durch die schwere Zeit getragen. Wir haben noch nie so viele Konzerte gegeben wie in den Corona-Jahren - obwohl es noch nie so schlechte Bedingungen und so wenig Geld gab. Zu Weihnachten bekam ich noch einmal viele Rückmeldungen von Chormitgliedern. Sie haben mir geschrieben, wie wichtig das Singen für sie war.

Künftig gestalten Sie nicht nur die Iffeldorfer Meisterkonzerte, sondern auch das Kulturprogramm für das Zentrum für Umwelt und Kultur im Kloster Benediktbeuern. Machen Sie sich damit nicht selbst Konkurrenz?

Das glaube ich nicht. Das Kloster hat ein ganz anderes Publikum und einen anderen Fokus. Dort wird es viel Programm für Kinder und Jugendliche geben und auch mal einen Volkstanz oder Veranstaltungen in der Natur. Das wird sich mit den Meisterkonzerten nicht beißen.

Ihre Prognose: Wie sieht die Kulturlandschaft im Oberland in fünf Jahren aus?

Die Kultur wird wieder blühen und florieren. Je mehr kontroverse Diskussionen es in einer Gesellschaft gibt, desto kreativer werden die Leute. Manches fällt weg, dafür kommen neue und andere Dinge zum Vorschein. Es wird immer Menschen geben, die von einem inneren Feuer angetrieben werden. Davon bin ich überzeugt.

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